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24. September 2017

Umverteilung und Politik

Jetzt, wo sich das Geheimnis des Zinses offenbart, dürfte man sich schon selbst einmal fragen, warum vertikale Umverteilung nicht wählbar war, solange es keine Vermögensteuer gab. Der negative Zins ist eine Art Vermögensteuer, die das Bankensystem[+] selbst erhebt und die Steuer an Kreditnehmer umverteilt!

Ordo Ab Chao

Eine Ordnung[+] erwächst[+] aus dem Chaos lautet ein berühmter Ausspruch der Freimaurerei, der zugleich die Situation des Anfangs und des Endes kennzeichnet.

Ordnung[+] aus dem Chaos.

Wie beschreiben Norbert Elias[+] und Niklas Luhmann[+] die Situation am Zeitpunkt[+] der Umkehr des Zins-Vorzeichens, die der Situation am Anfang der Störung so ähnelt?

Norbert Elias

Norbert Elias[+], über den Prozess der Zivilisation, Band 2, über den Monopol Mechanismus, Seite 164:

Was sie bei dem Kampf um die Herrschaftsmonopole anstreben und was sie schließlich erreichen, ist, wie gesagt, nicht die Aufteilung der bereits vorhandenen Monopole, sondern eine andere Verteilung ihrer Lasten und Erträge. Dass die Verfügung über diese Monopole jetzt statt von einem absoluten Fürsten von einer ganzen Schicht abhängt, ist ein Schritt in der eben dargelegten Richtung; es ist ein Schritt auf jenem Wege, auf dem die Chancen, die dieses Monopol gibt, immer weniger nach der persönlichen Gunst und im persönlichen Interesse Einzelner verteilt werden, sondern nach einem unpersönlicheren und genaueren Plan im Interesse vieler interdependent Verbundener und schließlich im Interesse eines ganzen, interdependenten Menschengeflechts.

Durch Zentralisierung, durch Monopolisierung werden mit anderen Worten Chancen, die zuvor durch kriegerische oder wirtschaftliche Gewalt von Einzelnen erstritten werden mussten, einer Planung unterwerfbar und handhabbar. Der Kampf um die Monopole richtet sich von einem bestimmten Punkt der Entwicklung ab nicht mehr auf ihre Zerstörung, sondern er geht um die Verfügungsgewalt über ihre Erträge, um den Plan, nach dem sie aufgebaut und nach dem ihre Last und ihr Nutzen[+] repartiert werden sollen, mit einem Wort um die Verteilungsschlüssel. Die Verteilung selbst, die Aufgabe des Monopolherren und der Monopolverwaltung wird in diesem Kampf aus einer relativ privaten zu einer öffentlichen Funktion; ihre Abhängigkeit von allen anderen Funktionen des interdependenten Menschengeflechts tritt auch organisatorisch mehr und mehr in Erscheinung. Die Zentralfunktionäre sind im Ganzen dieses Geflechts nur Abhängige, wie alle anderen. Es bilden sich feste Institutionen zu ihrer Kontrolle durch einen mehr oder weniger großen Teil aller der Menschen, die von dieser Monopolapparatur abhängen; und die Verfügung über das Monopol, die Besetzung seiner Schlüsselpositionen selbst entscheidet sich nicht durch einen einmaligen monopol - »freien« Konkurrenzkampf, sondern durch regelmäßig wiederkehrende Ausscheidungskämpfe ohne Waffengewalt, die von dem Monopolapparat geregelt werden, durch monopolistisch »gebundene« Konkurrenzkämpfe. Es bildet sich mit anderen Worten das, was wir ein »demokratisches Regime« zu nennen pflegen. Diese Art von Regime ist nicht, wie es sich heute - bei der bloßen Nahsicht auf bestimmte, wirtschaftliche Monopolprozesse unserer Zeit[+] - oft dem Bewusstsein darzustellen scheint, mit dem Vorhandensein von Monopolen schlechthin unvereinbar und in seinem Bestand abhängig von dem Bestand eines Spielfeldes mit möglichst freier Konkurrenz, sondern es hat selbst gerade zu den Bestand von hoch organisierten Monopolen zur Voraussetzung, wenn es auch gewiss nur unter bestimmten Umständen, nur bei einem ganz spezifischen Aufbau des gesamten, gesellschaftlichen Feldes und erst in einer sehr fortgeschrittenen Phase der Monopolbildung entstehen oder gar dauerhaft funktionieren kann.

Zwei große Phasen also lassen sich in dem Ablauf eines Monopolmechanismus unterscheiden, soweit unser Stand der Erfahrung ein Urteil[+] darüber erlaubt: erstens die Phase der freien Konkurrenz oder der Ausscheidungskämpfe mit der Tendenz zur Akkumulation[+] von Chancen in immer weniger und schließlich in einer Hand, die Phase der Bildung des Monopols; zweitens die Phase, in der die Verfügungsgewalt über die zentralisierten und monopolisierten Chancen dazu tendiert, aus den Händen eines Einzelnen in die einer immer größeren Anzahl überzugehen und schließlich zu einer Funktion des interdependenten Menschengeschlechts als eines Ganzen zu werden, also die Phase, in der aus dem relativ »privaten« ein »öffentliches« Monopol wird.

Es fehlt an Ansätzen zu der zweiten Phase auch in Gesellschaften mit relativ geringer Funktionsteilung nicht. Zu Ihrer vollen Ausprägung aber kann sie offenbar nur in Gesellschaften mit sehr reicher und überdies steigender Funktionsteilung kommen.

Die Gesamtbewegung lässt sich auf eine recht einfache Formel bringen. Sie geht von einer Situation aus, in der eine ganze Schicht über unorganisierte Monopolchancen verfügt und in der dementsprechend die Verteilung der Monopolchancen unter die Mitglieder dieser Schicht im Wesentlichen durch freien Kampf und offene Gewalt entschieden wird; sie strebt einer Situation zu, in der die Verfügung einer Schicht über Monopolchancen - und weiter die Verfügung aller von diesen Chancen Abhängigen als eines interdependenten Ganzen - zentral organisiert und durch Kontrollinstitutionen gesichert ist, und in der die Verteilung der Monopolerträge nach einem Plan erfolgt, der in keiner Weise am Interesse Einzelner, sondern am Kreislauf der arbeitsteiligen Prozesse selbst, am optimalen Ineinanderarbeiten aller funktionsteilig verbundenen Menschen orientiert ist.

Niklas Luhmann

Niklas Luhmann[+], soziale Systeme, Kapitel 2, Sinn, Abschnitt 8, Seite 131:

So spiegelt die Zeit[+] sich in der Zeit[+] mithilfe der Dimensionshorizonte Zukunft und Vergangenheit. Das heißt nicht nur, dass jeder Zeitpunkt[+] seine eigene Zukunft und seine eigene Vergangenheit hat und genau dadurch in der Zeitdimension[+] Einmaligkeit besitzt. Wenn dies erfahren wird, sieht man auch, dass jede Zukunft und jede Vergangenheit eines jeden Zeitpunktes[+] im Zeitpunkt[+] aufgelöst werden kann, für die das Gleiche gilt. Damit öffnet sich eine beliebig ausweisbare Unendlichkeit in der Zeit[+] - und dies nicht nur in der einen Doppelrichtung auf den Anfang und das Ende der Zeit[+] hin, sondern für jeden Zeitpunkt[+] in den Horizont eines jeden Zeitpunktes[+] besonders. »Die Zeit[+]« ist dann bestenfalls eine chronologische Konvention, ein Aggregatausdruck für die Gesamtheit der in der Zeit[+] aufbrechenden Zeitmöglichkeiten[+]. Wenn so viel Zeit[+] in die Zeit[+] hinein gelegt wird, wird man fragen müssen, wie so hohe Komplexität dann wieder reduziert wird und wie diese Reduktionen konditioniert sind. Oder, um dasselbe in einer anderen Terminologie zu formulieren: durch selbstreferentielles Verzeitlichen der Zeit[+] entsteht eine unendliche Wiederholung der Zeit[+] in der Zeit[+] und im Anschluss daran der Bedarf für eine historische Semantik der Zeit[+], die für bestimmte Epochen, bestimmte Gesellschaften, bestimmte Sozialsysteme gültige Akzente setzt bei gleichzeitigem Wissen um das beliebige Auflösevermögen der Zeit[+] in der Zeit[+]. Die Zeit[+] selbst wird historisiert, und alle Temporalsemantik muss sich damit abfinden, muss sich darauf einstellen.

Exakt die gleichen Verhältnisse lassen sich in der Sozialdimension beobachten. Auch hier spiegeln sich Perspektiven in Perspektiven: ich weiß, dass Du weißt, dass ich weiß...; ich rechne Dir Dein Handeln zu, wohlwissend, dass Du mir zurechnest, dass ich Dir Dein Handeln zurechne. Auch hier fällt der dimensionsspezifische Verweisungszusammenhang in sich ins Unendliche auseinander und es gibt Konsenspunkte sowie Zeitpunkte[+] nur vor dem Horizont solcher Möglichkeiten[+], das heißt konventionell.

In der Sachdimension macht man mit den Innen/Außenhorizonten der Dinge die gleiche Erfahrung. In dem jeder Horizont diese Doppelung in sich wieder erscheinen lässt, verunendlicht sich die Welt ins beliebig Große und ins beliebig Kleine. Das erscheint im Weltbild der Moderne als Aufhebung aller äußeren Grenzen und als Auflösung aller Elemente, aller letzten Haltepunkte.

Nur die Götter verfügen über die Elemente, hatte man früher gedacht und daran ( wenn auch unerreichbare ) Rahmensicherheiten gefunden. Mit den Elementen sind dann aber auch die Götter verschwunden, und die Sachverhältnisse [Eigentumsstruktur[+], Vermögensverteilung!] müssen demzufolge als bodenlose Konstruktion, als wahrscheinlich gewordene Unwahrscheinlichkeit begriffen werden. [.... dass so etwas in 2017 nach 6.000 Jahren des Prozesses noch möglich ist!]

Dies innere Unendlichwerden trennt die einzelnen Sinndimensionen schärfer als jede Bestimmung von Sinn, die ja letztlich immer alle Dimensionen in Anspruch nimmt. Dadurch führt die Entwicklung von Selbstreferenz in den einzelnen Dimensionen zu einem stärkeren Auseinanderziehen und zu einem Abschwächen wechselseitiger Implikationen. Zeit[+] z.b. kann dann nicht als Ursache[+] auftreten, und das Wesen einer Sache allein garantiert noch keine Dauer. Vor allem führt das Realisieren dimensionspezifischer Selbstreferenzen zu jenem Auflösen aller natürlichen Anhaltspunkte und zu rekombinatorischen Sinngewinnen, die dann aber sich selbst Festigkeit verleihen müssen. Wir werden zu überlegen haben, was dies bedeutet und welche Semantik dann noch adäquat ist, wenn ein Komplexwerden der Gesellschaft eine solche Entwicklung auslöst.

Dass dies Auseinanderziehen und relative Verselbstständigen der Sinndimensionen ein empirisch-historischer Prozess ist, belegt nochmals die selbstreferentielle Konstitution der Gesellschaft als des Sozialsystems par excellence und weiter die selbstreferentielle Konstitution von Sinn schlechthin. Im Einzelnen heißt Zunahme der Differenzierung: dass Negationen in der einen Dimension nicht notwendigerweise Negationen in der anderen implizieren. Das blockiert zunehmend Konsenspflichten in Bezug auf Sachverhalte einerseits und »Konsensustheorien der Wahrheit« [darum geht es hier!] andererseits. Ein Bezug auf Zukunft scheint jetzt nahezu beliebige Negationen von Sachverhalten in der Gegenwart zuzulassen; auch Zeitdimension[+] und Sachdimension geben einander also mehr Spielraum, und entsprechend wird »Zeitbindung[+]« als notwendige Funktion sozialer Mechanismen, etwa der Sprache diskutiert.

Hiermit korreliert innerhalb des semantischen Apparats die größere Deutlichkeit und Tiefenschärfe in den jeweiligen Doppelhorizonten Innen/Außen, Vergangenheit/Zukunft, Ego/Alter. Die jeweils zuständige Dichotomie trägt einerseits die Ausdifferenzierung der Sinndimension und wird andererseits durch sie auf höhere Komplexität gebracht. Das Auflöse- und Rekombinationsvermögen in Bezug auf Sachverhalte nimmt ebenso zu wie der Umfang des historischen Bewusstseins, und im gleichen Zuge wächst[+] das, was man als reflektierte soziale Sensibilität bezeichnen könnte. Dadurch wird es schwieriger, die Sinndimensionen noch miteinander zu vermitteln, und es drängt sich auf, Komplexität nur noch je nach Kontext als entweder sachliche oder zeitliche oder sozialer Komplexität zu denken mit der Folge, dass die Reduktionsstrategien entsprechend diversifiziert werden.

Soweit getriebene Differenzierungen sind heute nicht nur analytisch möglich. Sie gehören auch als eine Art Hintergrundbewusstsein zur Sinnrealität der gegenwärtigen Gesellschaft. Eine Folge ist die viel beklagte Erosion des Kulturgut traditionaler Gesellschaften. Eine andere Folge sind Legitimations- und Begründungsschwierigkeiten überall. Zusammenfassungen - etwa in Form der Gegenüberstellung von Perfektion/Imperfektion oder Ideal/Wirklichkeit-, die in jeder Dimension zugleich absichern, scheinen sich aufzulösen. Damit wird der Sinnbezug der Dimensionen keineswegs gelockert. Deren Interdependenzen bleiben bestehen, sie nehmen nur neue Formen an, deren Bewährung weithin noch aussteht. An der Stelle von Kompaktannahmen, die in allen Dimensionen zugleich binden, scheint ein kombinatorisches Bewusstsein gefordert zu sein, dass sich am besten vielleicht durch Optionsbelastungen charakterisieren lässt: Wenn man sich in sachlicher Hinsicht festlegt ( z.b. »investiert«), hat das in zeitlicher und in sozialer Hinsicht nichtbeliebige Folgen. Wenn Zukunftshorizonte variieren, etwa in Folge eines zu raschen Fluktuierens der Verhältnisse stärker an die Gegenwart heranrücken, hat das Konsequenzen sowohl für Konsenschancen ( man kann die kurzfristig Benachteiligten nicht mehr »abfinden«, alle wollen alles sofort) als auch für das, was sachlich in so kurzer Zeit[+] noch möglich ist. Die Vielfalt dieser und anderer kombinatorischer Probleme schließt die Möglichkeit[+] nicht aus, Konstellationen zu untersuchen und dabei zu hoch generalisierten Aussagen zu kommen. Aber es gibt für die damit bewusst gemachten Optionsbelastungen keine Gesamtformel des Guten und Richtigen mehr, weil ihre Ausgangspunkte von Dimension zu Dimension variieren und auf verschiedenen Wegen Konsequenzen von Strukturentscheidungen des Gesellschaftssystems in die Sinnhaftigkeit des Erlebens und Handelns überspielen. Dem System fehlt die Vernunft[+]. Deren Restauration wäre angesichts des Kontingenzüberschusses [die aberwitzige Geldmenge[+] in der Hand von Nicht-Banken[+]], der Sinn ist und als Sinn ständig reproduziert wird [Geldvermehrung, Sparschwemme[+], Geld ist Mittel[+] und mehr Geld ist Sinn und Zweck[+] der Welt], nur im Wege des Oktroi möglich. [Erzwingen des Systemwechsels zur Negativ-Zins-Ökonomie[+], was abzulehnen ist!] Das ist auch ein Aspekt der einstweilen noch gegebenen Freiheit[+] für Funktionssysteme, ihre Möglichkeiten[+] auszuprobieren und ein Aspekt der Offenheit für evolutionäre Entwicklungen. Mehr als je tendiert Sinn gerade unter diesen selbstreferentielle Bedingungen nicht zur Planung, sondern zur Evolution[+].
Irgendwann erreicht der globalisierte Kapitalismus[+] einen Punkt, ab dem er nicht weiter existieren kann.

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