Wie das Über-Ich entstanden ist - Was machen eigentlich Freimaurer?
Zivilisation ist ein Zähmungs- und Erziehungsprojekt ähnlich der Domestizierung von Wildtieren. Das systematische Zähmungs- und Erziehungswerkzeug ist der positive Zins[+] also der sog. Kapitalismus[+]. Es geht um die Köpfe, um unsere Seelen, die Psyche[+] (Psychologie heißt Seelensprache).
„Dem System fehlt die Vernunft[+]“ sagen Viele, wenn sie allein auf die Geldvermehrung schauen. Da haben sie Recht[+], doch ist das eben nur die eine Seite der Betrachtung. Die andere Seite der Bilanz bei der für den Sparer leistungslosen Geldvermehrung ist die Zinsschuld[+] auf der Seite des den Leihnehmer enthaltenden Netzwerks. Norbert Elias[+] (* 22. Juni 1897 in Breslau; † 1. August 1990 in Amsterdam) sagt in Über den Prozess der Zivilisation[2, S. 327]:
Eine Schuld ist grundsätzlich ein Zwang[+] zu tilgen (pacta sunt servanda[+]). Getilgt wird durch Arbeit[+] (Absorption) bzw. eine Anpassung des Sozialverhaltens oder durch Übertragung auf Marktpartner (Streuung). Eine Zinsschuld[+] ist ein systematischer zusätzlicher, übermäßiger Zwang[+] zu tilgen. Getilgt wird durch Arbeit[+], aber Tilgung kann auch über eine Anpassung des Sozialverhaltens geschehen (sog. „Werterziehung“). Die Entscheidung mehr zu arbeiten, leistungsbereit zu sein und die aufgetragenen Pflichten[+] und Aufgaben zu erfüllen, ist ein kapitalistischer Wert.
Eine Zinsschuld[+] ist demzufolge ein Zwangsma[+]ß und im Spezielleren (auto-selektiv, selbstgewählt) ein systematisches Erziehungsmaß,
solange die Menschen den positiven Zins[+] wollen. Erziehung geschieht durch Belohnung und Bestrafung
(Konditionierung, Bedinglichung, positive Zinsen[+] sind Sachzwänge),
das System bietet dazu genügend Möglichkeiten[+], man muss sich ja nur anschauen, welche Anreize und Strafen es gibt.
Ökonomie[+] (Hausbestimmung, Hausgesetzgebung) ist ein Mittel[+] zur Erschaffung, Finanzierung und Steuerung von Unternehmungen, also Verkörperungen des Handelns, ein Mittel[+] zur Bestellung eines Gartens und zum Bau eines Hauses. Der Herr bestellt seinen Garten, setzt neue Pflanzen, rupft Unkraut (Schädlinge) heraus und lässt gutes nützliches[+] Kraut stehen, und all dies geschieht „wie im Himmel“ (in der Seele) „so auf Erden“ (im Körper, der Bestimmung über die Menschen der arbeitsteiligen Wirtschaft). In der Seele ist das Unkraut-Jäten der sozial-psychologische Prozess der Bestrafung systemisch unangemessener Verhaltensweisen, die Ausrottung des „Schlechten“, die Zurückdrängung der Natur, unseres Es, des Tieres in uns und um uns herum.
Wie das Schuldgeldsystem der Geldwirtschaft das Über-Ich formte
Die Kurve der Entwicklung der Bildung von Über-Ich-Strukturen, wie es Norbert Elias[+] sagen würde, und die ganz bestimmte Richtung, in die sie verläuft, ist durch das Vorzeichen des Zinses[+] festgelegt. Unter Zwang[+] steht der Leihnehmer, den Zins[+] bekommt der Leihgeber. Die Richtung kann grob durch folgende Kausalkette skizziert werden:
- großräumiger zins-induzierter Integrationszwang
- $\rightarrow$ Verflechtung
- $\rightarrow$ Anforderungen und Grenzen in den sozialen Räumen, Fremdzwang
- $\rightarrow$ Differenzierung verstärkt gegenseitige Abhängigkeit
- $\rightarrow$ Notwendigkeit[+] der Affektkontrolle
- $\rightarrow$ Selbstdisziplinierung, Selbstzwang
- $\rightarrow$ Über-Ich Strukturen
Die Kausalkette der kapitalistischen Erziehung hat also als Ursache[+] den zins-induzierten Integrationszwang, da die Kapitalakkumulation Kapitalanhäufungen erzeugt, die wiederum bei positivem Zins[+] Arbeit und alle handelbaren Güter anziehen und dann erzwingen (vgl. zum sog. Kontrahierungszwang[+], lat. contrahere von lat. con = dt. mit und lat. trahere dt. schleppen, ziehen, fortreißen, schleifen, der Zins ist ein negativer Preis für Arbeit). Die Menschen werden von den Stätten angehäuften Kapitals, den Städten, „wie Bienen“ angezogen und begeben sich dort in das lokale Geflecht von interdependenten (lat. inter = zwischen, lat. dependere = abhängen) Handels- und Arbeitsm[+]ärkten.
Die Verknappung des Geldes in den wirtschaftlichen Kreisläufen (der Wirt schafft mit seiner Arbeit[+] den Wohlstand seiner Menschen) über die ökonomischen Verträge, die Preise darin heißen Zinsen[+], Mieten, Pachten, usw., führt zu einem „Zusammenzurren“ der Marktgefüge, einer Zunahme der Vernetzung und Verflechtung, der Zunahme einer Kooperation zwischen den Zweigen/Organen der Wirtschaft bei gleichzeitiger Zunahme der Konkurrenz/Kompetition innerhalb der Zweige/Organe der Wirtschaft.
Die Arbeitszeit[+] wird durch den Zins[+] künstlich verknappt und macht Spezialisierungen der Arbeitsteilung[+] notwendig, da Spezialisten für ein beschränkteres Arbeitsfeld[+] kürzere Bearbeitungszeiten haben (funktionale Differenzierung). Dies gilt auch für die Verwaltungsaufgaben, bei denen auch gespart werden muss[2, S. 327]:
[...]
Der Einzelne wird gezwungen, sein Verhalten immer differenzierter, immer gleichmäßiger und stabiler zu regulieren.
Den permanent wachsenden[+] Anforderungen und der Nähe begegnet der Mensch seelisch durch die Ausbildung von Verhaltensanpassungen, die darauf abzielen, bestimmte Ängste[+] nicht mehr haben zu müssen. Es bilden sich in Folge der seelischen Abwehr von befürchteten Bestrafungen Gehege aus Angst[+], innerhalb derer sich ein Mensch angstfrei bewegen kann. Zu den Rändern hin nimmt die Angst[+] zu[2, S. 328]:
Die Nähe und die Komplexität der zunehmenden Verflechtung in den entstehenden sozialen Räumen der arbeitsteiligen Gesellschaft werden also durch Sachzwänge (die Sache, das Kapital und seine Vermehrung zwingt im Kapitalismus[+] den Menschen, in der Natur ist es umgekehrt) erzeugt und verschärft, das Über-Ich in der Seele der Menschen, der Propfen oder „Matrix-Stöpsel“ heißt bei Elias Selbstzwang- oder Selbstkontrollapparatur[2, S. 330]:
[...]
Mit der Differenzierung des gesellschaftlichen Gewebes wird auch die soziogene, psychische[+] Selbstkontrollapparatur differenzierter, einseitiger und stabiler.

Die Ausbildung von Zentralinstitutionen im Prozess verläuft parallel zur Ausbildung von Über-Ich Strukturen. Die Menschen haben mit ihren Vorgesetzten, den Vasallen, Lehensherren, Fürsten und Königen Vorbilder für die Triebmodellierung[2, S. 331]:
[...]
Wenn sich ein Gewaltmonopol bildet, entstehen befriedete Räume, gesellschaftliche Felder, die von Gewalttaten normalerweise frei sind. Die Zwänge[+], die innerhalb ihrer auf den einzelnen Menschen wirken, sind von anderer Art, als zuvor. Gewaltformen, die schon immer vorhanden waren, die aber bisher nur mit körperlicher Gewalt untermischt oder verschmolzen bestand hatten, sondern sich von dieser; sie bleiben für sich und in entsprechend veränderter Form in den befriedeten Räumen zurück; am sichtbarsten sind sie für das Standardbewusstsein der Gegenwart durch die wirtschaftliche Gewalt, durch die ökonomischen Zwänge[+] verkörpert; in Wirklichkeit ist es noch ein ganzes Gemisch verschiedener Arten von Gewalt oder Zwang[+], das in den Menschenräumen zurückbleibt, wenn die körperliche Gewalttat langsam von der offenen Bühne des gesellschaftlichen Alltags zurücktritt und nur noch in vermittelter Form an der Züchtung der Gewohnheiten mit arbeitet.
Die Stärke des Gewaltmonopols ist dabei ein Maß für den Grad der Funktionsteilung. Die Verwaltungsapparate zum Eintreiben der (Kriegs-) Steuern spiegeln dabei die wachsende[+] Komplexität der Arbeitsteilung[+]. Die gesamte Wirkung ist eine Dämpfung der Affektivität[2, S. 332]:
Eine Zivilisation unter dem Kapitalismus[+] hat also Ähnlichkeit mit der Domestizierung
von Menschentieren, der Zins[+] ist ein Werkzeug zur Menschenviehhaltung. Die durch den Zins[+] belohnten Erzieher sind die,
die haben und leihen und die Erzogenen sind die, die haben wollen weil sie sind, leihen müssen und den Zins[+] bezahlen.
Zur Kontrolle der Menschen werden Gehege aus Angst[+] erschaffen,
deren Zäune in Strafandrohungen und der Ausweisung von Abstiegsfolgen bei Nicht-Anpassung des Verhaltens und deren Gatter
in systemischen Angeboten zur Auslebung von unterdrückten Trieben und Tätigkeitsschemata (Berufsbildern)
mit bestimmten Notwendig- und Möglichkeitenprofilen[+] bestehen.
Auch in dieser Form, auch als Kontrollorganisation, hat die körperliche Gewalt und die Bedrohung, die von ihr ausgeht, einen bestimmenden Einfluss auf den Einzelnen in der Gesellschaft.
Er mag es wissen oder nicht.
Aber es ist nicht mehr eine beständige Unsicherheit, die sie in das Leben des Einzelnen hineinträgt, sondern eine eigentümliche Form von Sicherheit. Sie wirft ihn nicht mehr als Schlagenden oder Geschlagenen, als körperlich Siegenden oder als körperlich Besiegten zwischen mächtigen Lustausbrüchen und schweren Ängsten[+] hin und her, sondern von dieser gespeicherten Gewalt in der Kulisse des Alltags geht ein beständiger, gleichmäßiger Druck auf das Leben des Einzelnen aus, den er oft kaum noch spürt, weil er sich völlig an ihn gewöhnt hat, weil sein Verhalten und seine Triebgestaltung von der frühesten Jugend an auf diesen Aufbau der Gesellschaft abgestimmt worden sind. Es ist in der Tat die ganze Prägeapparatur des Verhaltens, die sich ändert; und ihr entsprechend ändern sich, wie gesagt, nicht nur einzelne Verhaltensweisen, sondern das ganze Gepräge des Verhaltens, der ganze Aufbau der psychischen[+] Selbststeuerung.
Der volkswirtschaftliche Terminus für die Einschränkung der eigenen Gestaltungsfreiheit, die durch die Höhe des Zins[+]-Niveaus fremdbestimmte Umzäunung des Geheges heißt Budgetrestriktion, der soziologisch-ethische Rahmen in den die Menschen eingebettet sind heißt Morallehre, moralisches Gewissen, soziale Normen und Regeln, und der psychologische Terminus heißt Angst[+].
Fritz Riemann (* 15. September 1902 in Chemnitz; † 24. August 1979 in München) hat in seinen Sitzungen
als Paartherapeut vier Grundformen der Angst ausgemacht, die sich heutzutage in Beziehungen darstellen und darin
und in Bezug auf das Handeln bestimmend sind:
Bezeichnung
Gegenstand der Angst[+]
chr./jüd. Symbol
RollenbezeichnungSozial-Verhalten / Werte
Hysterie[+]
(Wechselausrichtung)
von altgriechisch hystéra Gebärmutter (Kreativität)
Angst[+] vor Notwendigkeit[+]
Festlegung
Recht[+]-Bewusste
Leidenschaften, Reize, Rausch und Phantasie.
Sie suchen den Genuss, Charme, Kreativität, Temperament, Suggestion[+], Spontaneität, Risiko, Ideenreichtum, Dramatik und Begehren.
Diese Menschen sind neugierig, wünschen, suchen, lernen und leben gerne.
Sie sind kreativ, einfallsreich, spontan und unterhaltsam.
Sie können aber auch unzuverlässig, chaotisch, theatralisch, egozentrisch, geschwätzig und unsystematisch sein.
Zwanghaftigkeit[+]
(Dauerausrichtung)
Angst[+] vor Vergänglichkeit / Wandel
Pflicht[+]-Bewusste
Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, Sparsamkeit, Wille, Verantwortung, Planung, Vorsicht, Kontrolle, Ziele, Gesetze, Kontinuität, Notwendigkeit[+],
Verbindlichkeit, Treue, Grundsätze, Regeln, Analysieren, Stabilität, Pflicht[+], Dauerhaftigkeit, Konsequenzen.
„Dauermenschen“ sind sehr verlässlich, systematisch, gründlich, ordentlich, sie haben Organisationstalent und sind prinzipientreu.
Sie neigen aber auch dazu, manchmal langweilig, unflexibel, pedantisch und stur zu sein.
Schizoidie[+]
(Distanzausrichtung)
griechisch schizein „abspalten“
Angst[+] vor (Selbst-)Hingabe
Zins[+]-Nehmer, Leih-Geber / Sparer / Vermieter / Investor
Abgrenzung, Unverwechselbarkeit, Freiheit[+], Individualität, Eigenständigkeit, rationales Denken und Handeln („bloß kein Gefühl“).
Sie wollen nicht beeinflusst werden. Sie suchen den Abstand und scheinen erst einmal niemanden zu brauchen.
Sie wirken oft kühl und unnahbar. Die Vernunft[+] ist ihnen sehr wichtig.
Erst wenn ihnen in einer Beziehung zu anderen ein hohes Maß an Freiheit[+] und Rückzugsmöglichkeiten garantiert wird,
lassen sie sich auf Gefühle und Nähe ein. Sie wollen nicht auf fremde Hilfe angewiesen sein und wirken oft bindungsängstlich
und/oder unbeholfen im emotionalen Bereich.
Depression[+]
(Näheausrichtung)
von lateinisch deprimere „niederdrücken“
Angst[+] vor Selbstwerdung,
freie Entfaltung der Persönlichkeit
Zins[+]-Geber, Leih-Nehmer / Kredit-Nehmer / Arbeiter[+] / Mieter
Nähe zu anderen Menschen, Bindung, Zuneigung, Vertrauen, Sympathie, Mitmenschlichkeit, Geborgenheit,
Zärtlichkeit und Harmonie. Sie brauchen Wärme, Bestätigung, sind selbstlos bis zur Selbstaufgabe, haben soziale Interessen,
können sich leicht mit anderen identifizieren und sich selbst vergessen. „Nähemenschen“ sind kontaktfähig,
teambereit, ausgleichend, akzeptierend und verständnisvoll.
Sie neigen aber auch zu Abhängigkeit, da sie ungern alleine sind. Sie haben eine Opfermentalität und sind aggressionsgehemmt.
Da der Zins[+] der fundamentalste ökonomische Parameter ist, ist es logisch, das RT-Modell hinsichtlich des Gleichgewichts der Bestimmung
einzuordnen und es damit in Beziehung zu setzen:
Der Ort in der Seele des Menschen, in dem die mehr oder weniger sinnvollen Zäune installiert sind heißt Über-Ich.
Das Wort Domestizierung (lat. domus heißt Haus)
sagt es ja eigentlich schon, Kapitalismus[+] ist ein Haus- und Pyramiden-Bauprojekt.
Was machen also Freimaurer?
Sie hauen den Menschen die Ecken und Kanten ab und gestalten sie so,
dass sie gut in die große Pyramide passen.
Der Herr rupft Unkraut und vernichtet „Schädlinge“.
Skizze der seelischen Kollateralschäden der Vernunft-Bildung - Psychische Zivilisationskrankheiten
Seite 338:
Seite 339:
Und ganz in der gleichen Richtung wirken die waffenlosen Zwänge[+] und Gewalten, denen der Einzelne unmittelbar in den befriedeten Räumen selbst ausgesetzt ist, also etwa die wirtschaftlichen Zwänge[+]. Auch sie sind weniger affektgesättigt, auch sie sind gemäßigter, stabiler und weniger sprunghaft als die Zwänge[+], die in einer monopolfreien Krieger-Gesellschaft der Mensch auf den Menschen ausübt. Und auch Sie, verkörpert in den gesamten Funktionen, die sich dem Einzelnen in der Gesellschaft eröffnen, zwingend zu einer unaufhörlichen Rück- und Voraussicht über den Augenblick hinaus, entsprechend den längeren und differenzierteren Ketten, in die jede Handlung sich nun automatisch verflicht; sie fordern von dem Einzelnen eine beständige Bewältigung seiner augenblicklichen Affekt- und Triebregungen unter dem Gesichtspunkt der ferneren Wirkung seines Verhaltens; sie züchten in dem Einzelnen eine - relativ zu dem anderen Standard - gleichmäßige Selbstbeherrschung, die, wie ein fester Ring, sein ganzes Verhalten umfasst, und eine beständige Regelung seiner Triebe im Sinne der gesellschaftlichen Standarde. Dabei sind es, wie stets, nicht nur unmittelbar die Erwachsenenfunktionen[+] selbst, die diese Zurückhaltung, diese beständige Regelung der Triebe und Affekte in den Menschen ausbilden; sondern die Erwachsenen[+] erzeugen teils automatisch, teils ganz bewusst durch ihre Verhaltensweisen und Gewohnheiten entsprechende Verhaltensweisen und Gewohnheiten bei den Kindern; der Einzelne wird bereits von der frühesten Jugend an auf jene beständige Zurückhaltung und Langsicht abgestimmt, die er für die Erwachsenenfunktionen[+] braucht; diese Zurückhaltung, diese Regelung seines Verhaltens und seines Triebhaushalts wird ihm von klein auf so zur Gewohnheit gemacht, dass sich in ihm, gleichsam als eine Relaisstation der gesellschaftlichen Standarde, eine automatische Selbstüberwachung der Triebe im Sinne der jeweiligen gesellschaftsüblichen Schemata und Modelle[+], eine »Vernunft[+]«, ein differenzierteres und stabileres »Über-Ich« herausbildet, und dass ein Teil der zurückgehaltenen Triebregungen und Neigungen ihm überhaupt nicht mehr unmittelbar zum Bewusstsein kommt.
Seite 340:
Spaltung: Innere Spannung zwischen Es und Über-Ich, Was will es, was soll es?
Aber die Triebe, die leidenschaftlichen Affekte, die jetzt nicht mehr unmittelbar in den Beziehungen zwischen den Menschen zum Vorschein kommen dürfen, kämpfen nun oft genug nicht weniger heftig in dem Einzelnen gegen diesen überwachenden Teil des Selbst. Und nicht immer findet dieses halbautomatische Ringen des Menschen mit sich selbst eine glückliche Lösung; nicht immer führt die Selbstumformung, die das Leben in dieser Gesellschaft erfordert, zu einem neuen Gleichgewicht des Triebhaushalts. Oft genug kommt es in ihrem Verlauf zu großen und kleinen Störungen, zu Revolten des einen Teils des Menschen gegen den anderen oder zu dauernden Verkümmerung, die eine Bewältigung der gesellschaftlichen Funktionen nun erst recht erschweren oder verhindern. Die vertikalen Schwankungen, wenn man es einmal so nennen darf, die Umsprünge von Furcht zur Lust, vom Genuss zur Buße werden geringer, der horizontale Sprung, der quer durch den ganzen Menschen hingeht, die Spannung zwischen »Über-Ich« und »Unbewusstem« oder »Unterbewusstsein« wird größer.
Auch hier wieder erweist sich der allgemeine Grundriss dieser Verflechtungserscheinungen, wenn man nicht nur statischen Strukturen, sondern ihrer Soziogenese nachgeht, als ziemlich einfach: durch die Interdependenz größerer Menschengruppen voneinander und durch die Aussonderung der physischen[+] Gewalttat innerhalb ihrer stellt sich eine Gesellschaftsapparatur her, in der sich dauernd die Zwänge[+] der Menschen aufeinander in Selbstzwänge umsetzen; diese Selbstzwänge, Funktionen der beständigen Rück - und Voraussicht, die in dem Einzelnen entsprechend seiner Verflechtung in weitreichende Handlungsketten von klein auf heran gebildet werden, haben teils in die Gestalt einer bewussten Selbstbeherrschung, teils die Form automatisch funktionierender Gewohnheiten; sie wirken auf eine gleichmäßigere Dämpfung, eine kontinuierliche Zurückhaltung, eine genauere Regelung der Trieb- und Affektäußerungen nach einem differenzierten, der gesellschaftlichen Lage entsprechenden Schema hin; aber je nach dem inneren Druck, je nach der Lage der Gesellschaft und des Einzelnen in ihr erzeugen sie auch eigentümliche Spannungen und Störungen im Verhalten und Triebleben des Individuums; sie führen unter Umständen zu einer beständigen Unruhe und Unbefriedigtheit des Menschen, eben weil ein Teil seiner Neigungen und Triebe nur noch in verwandelter Form, etwa in der Phantasie, im Zusehen oder Zuhören, im Tag - oder Nachttraum Befriedigung finden kann; und manchmal geht die Gewöhnung an eine Affektdämpfung soweit - beständige Gefühle der Langeweile oder Einsamkeitsempfindungen sind Beispiele dafür - dass dem Einzelnen eine furchtlose Äußerung der verwandelten Affekte, eine geradlinige Befriedigung der zurückgedrängten Triebe in keiner Form mehr möglich ist. Einzelne Triebzweige werden in solchen Fällen durch einen spezifischen Aufbau des Beziehungsgeflechts, in dem der Mensch als Kind heranwächst[+], gewissermaßen anästhesiert; sie umgeben sich unter dem Druck der Gefahren, die ihre Äußerung im kindlichen Gesellschaftsraum mit sich bringen, dermaßen mit automatisch auftretenden Ängsten[+], dass sie unter Umständen für ein ganzes Leben taub und unansprechbar bleiben. In anderen Fällen mögen einzelne Triebzweige die schweren Konflikte, in die seine unbehauene, seine affektive und leidenschaftliche Natur das kleine Menschenwesen auf dem Wege der Modellierung[+] zu einem »zivilisierten« Wesen unausweichlich bringt, so umgebogen werden, dass ihre Energien nur noch auf Seitenwegen, in Zwangshandlungen[+] und anderen Störungserscheinungen einen unerwünschten Ausweg finden können. Wieder in anderen Fällen strömen diese Energien, derart verwandelt, in unkontrollierbare und einseitige Zu- und Abneigungen, in die Vorliebe für irgendwelche kuriosen Steckenpferde ein. Und hier, wie dort mag eine dauernde, scheinbar unbegründete, innere Unruhe anzeigen, wie viele Triebenergien auf diese Weise in eine Gestalt gebannt sind, die keine wirkliche Befriedigung zulässt.
Der individuelle Zivilisationsprozess vollzieht sich, wie der gesellschaftliche, bis heute zum größeren Teil blind. Unter der Decke dessen, was die Erwachsenen[+] denken und planen, hat die Art der Beziehung, die sich zwischen ihnen und dem Heranwachsenden[+] herstellt, Funktionen und Wirkungen in dessen Seelenhaushalt, die sie nicht beabsichtigt haben und von denen sie kaum etwas wissen. Ungeplant in diesem Sinne produzieren sich die extrem ungünstigen und gesellschaftlich abnormen Modellierungserscheinungen[+], wie sie diese Beispiele zeigen; die psychischen[+] Abnormalitäten, die nicht eigentlich Modellierungserscheinungen[+] sind, die auf unveränderliche, hereditäre Qualitäten zurückgehen, können hier außer Betracht bleiben. Aber der Habitus, der sich im Rahmen der jeweiligen gesellschaftlichen Norm hält und zugleich subjektiv befriedigender ist, produziert sich weniger ungeplant. Aus der gleichen, gesellschaftlichen Prägeapparatur gehen in einer breiten Streuungskurve günstiger und ungünstiger gelagerte, menschliche Prägungen hervor. Die automatisch reproduzierten Ängste[+], die sich im Zuge der Zivilisierungskonflikte an bestimmte Triebäußerungen heften, mögen unter Umständen nicht zu einer dauernden und totalen Betäubung einzelner Triebzweige führen, sondern nur zu deren Dämpfung und Regelung im Rahmen dessen, was als normal gilt. Die Umleitung und Verwandlung einzelner Triebenergien mag, statt in gesellschaftlich nutzlosen Zwangshandlungen[+], statt in Vorlieben und Gewohnheiten, die als absonderlich gelten, in einer individuell höchst befriedigenden und gesellschaftlich höchst fruchtbaren Tätigkeit oder Begabung ihren Ausdruck finden. Hier, wie dort bildet sich das Beziehungsgeflecht der prägsamsten Phase, der Kinder - und Jugendzeit, in dem psychischen[+] Apparat des einzelnen Menschen, in der Beziehung zwischen seinem Über-Ich und seinem Triebzentrum als sein individuelles Gepräge ab. Hier wie dort befestigt es sich zu einer Gewohnheitsapparatur, die in allen Verhaltensweisen, in allen weiteren Beziehungen zu anderen Menschen zum Ausdruck kommt und fortgesponnen wird. In günstigeren Fällen mögen - bildlich gesprochen - die Wunden langsam vernarben, die die Zivilisierungskonflikte der Psyche[+] des Einzelnen schlagen; in ungünstigeren Fällen schließen sie sich nie oder öffnen sich leicht wieder bei neuen Konflikten. Hier dringen die im psychischen[+] Apparat verfestigten, zwischenmenschlichen Konflikte der Frühzeit immer wieder störend in die weiteren, zwischenmenschlichen Beziehungen ein, sei es in der Form von Widersprüchen zwischen den einzelnen Selbstzwanggewohnheiten, die von den verschiedenen Beziehungen, den mannigfachen Abhängigkeiten und Angewiesenheiten des Kindes ihren Ausgang nehmen, sei es in der Form von ständig wiederkehrenden Auseinandersetzungen zwischen dieser Selbstzwangapparatur und dem Triebzentrum. Dort, in besonders günstigen Fällen, gleichen sich diese Widersprüche zwischen verschiedenen Stücken der Über-Ich-Apparatur langsam aus; die störendsten Konflikte zwischen ihr und den Triebzentrum verkapseln sich langsam; sie verschwinden nicht nur aus dem hellen Bewusstsein, sondern sie sind so bewältigt und verarbeitet, dass sie ohne allzu große Unkosten an subjektiver Befriedigung auch unbeabsichtigt nicht mehr in die weiteren, zwischenmenschlichen Beziehungen einbrechen. In dem einen Falle bleibt die bewusste und unbewusste Selbstkontrolle immer noch an einzelnen Stellen diffus und offen für Durchlässe von gesellschaftlich unzweckmäßig gestalteten Triebenergien, im anderen wird diese Selbstkontrolle, die auch heute in den Jugendphasen oft mehr ein Getriebe von über-, unter- und gegeneinander geschobenen Eisschollen als einer glatten und festen Eisdecke gleicht, langsam einheitlich und stabil in guter Korrespondenz zu dem Aufbau der Gesellschaft. Aber da dieser Aufbau gerade in unseren Tagen höchst veränderlich ist, so verlangt er zugleich eine Elastizität der Verhaltensgewohnheiten, die in den meisten Fällen mit einem Verlust an Stabilität bezahlt werden muss.
Theoretisch ist es also nicht schwer zu sagen, worin der Unterschied zwischen einem individuellen Zivilisationsprozess besteht, der als gelungen, und einem anderen, der nicht als gelungen gilt: in dem einen Fall bilden sich nach allen Mühen und Konflikten dieses Prozesses schließlich im Rahmen einer gesellschaftlichen Erwachsenenfunktion[+] gut angepasste Verhaltensweisen, eine adäquat funktionierende Gewohnheitsapparatur heraus und zugleich - was nicht notwendig damit Hand in Hand geht - eine positive Lustbilanz; im anderen Fall wird entweder die gesellschaftlich notwendige Selbstregulierung immer wieder von neuem mit einer schweren Anspannung zur Bewältigung von entgegengerichteten Triebenergien, mit hohen Unkosten an persönlicher Befriedigung erkauft oder die Bewältigung dieser Energien, der Verzicht auf ihre Befriedigung, gelingt überhaupt nicht und oft genug ist schließlich überhaupt keine positive Lustbilanz mehr möglich, weil die gesellschaftlichen Gebote und Verbote nicht nur durch andere Menschen, sondern auch durch den derart Geplagten selbst repräsentiert werden, weil eine Instanz in ihm selbst verbietet und bestraft, was die andere möchte.
In Wirklichkeit ist das Resultat des individuellen Zivilisationsprozesses nur in relativ wenig Fällen, nur an den Rändern der Streuungskurve ganz eindeutig ungünstig oder günstig. Die Mehrzahl der Zivilisierten lebt zwischen diesen Extremen auf einer mittleren Linie. Gesellschaftlich günstige und ungünstige Züge mischen sich in ihnen in verschiedenen Proportionen.
Der gesellschaftliche Modellierungsprozess[+] im Sinne der abendländischen Zivilisation ist besonders schwierig. Er muss, um auch nur einigermaßen zu gelingen, entsprechend dem Aufbau der abendländischen Gesellschaft, eine besonders reiche Differenzierung, eine besonders intensive und stabile Regulierung des psychischen[+] Apparats produzieren. Er nimmt daher im Allgemeinen, und vor allem in den mittleren und oberen Schichten, mehr Zeit in Anspruch als der Modellierungsprozess[+] in weniger differenzierten Gesellschaften. Der Widerstand gegen die Einpassung in den vorgegebenen Zivilisationsstandard, die Anspannung, die diese Anpassung, diese tiefgreifende Transformation des Ganzen, psychischen[+] Apparat, den Einzelnen kostet, ist immer sehr beträchtlich. Und später als in weniger differenzierten Gesellschaften erlangt daher auch der Einzelne in der abendländischen Welt mit einer Erwachsenenfunktion[+] zugleich den psychischen[+] Habitus eines Erwachsenen[+], dessen Hervortreten im Großen und Ganzen den Abschluss des individuellen Zivilisationsprozesses bezeichnet. Aber wenn auch hier diese Bearbeitung des psychischen[+] Apparats besonders weitgehend und intensiv ist, Prozesse in der gleichen Richtung, gesellschaftliche und individuelle Zivilisationsprozesse, spielen sich ganz gewiss nicht nur im Abendland ab. Sie finden sich überall, wo unter einem Konkurrenzdruck die Funktionsteilung größere Menschen Räume voneinander abhängig, wo eine Monopolisierung der körperlichen Gewalt eine leidenschaftsfreiere Kooperation möglich und notwendig macht, überall, wo sich Funktionen herstellen, die eine beständige Rück- und Voraussicht auf die Aktionen und Absichten Anderer über viele Glieder hinweg erfordern. Bestimmend für Art und Grad solcher Zivilisationsschübe ist dabei immer die Weite der Interdependenzen, der Grad der Funktionsteilung und der Aufbau der Funktionen innerhalb ihrer.
Querverweise auf 'Wie das Über-Ich entstanden ist - Was machen eigentlich Freimaurer?'
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