⌂ In Antwort auf Email von Reinhold Tomczak
Hallo Reinhold,
die Text-Stelle bezieht sich auf meine Interpretation einiger Begriffe in der christlichen Philosophie.
Ich will ganz grob die Basis meiner Interpretation erläutern.
Ich bin Konstruktivist und halte Gott für so etwas wie die „totale Selbst-Projektion“.
Gott ist die projizierte (also modellhafte) Ursache[+] von allem und ich vermute daher, dass die Vorstellung von einem Gott vor 5.777 - 6.000 Jahren aus dem Prozess des Kapitalismus[+], also der Zins[+]-Nahme heraus entstanden ist.
Ich stelle mir vor, dass die Menschen, die zum ersten Mal anfingen, Zins[+] zu nehmen dem wunderlichen Prozess einen Namen gaben.
Sie nannten ihn Gott.
Außerdem definierten sie einen Ort (einen Begriff), mit denen sie Objekte des Geistes, also der Vorstellung und des Denkens, der seelischen sozialen Interaktion benennen und beschreiben konnten (Himmel), so wie sie einen Ort der Handlung, der Praxis und der physischen[+] sozialen Interaktion definierten (Erde).
Ich denke, dass Engel für Gedanken, Eingebungen und Assoziationen stehen.
Insgesamt hat der Zins[+] eine integrierende Wirkung auf ein Volk, weil er Schuld-Verhältnisse erzeugt.
Ein Schuld-Verhältnis ist die (rechtsstaatliche) Ursache[+] für eine Beziehung und die Wirklichkeit entsteht (auch) in Beziehungen zu anderen.
Wer ist ein Volk oder auch 'das Volk'?
Ich meine mal gelesen zu haben, dass Volk etymologisch mit Gefolge zusammenhängt. Das muss also nicht unbedingt mit dem Zins[+] zu tun haben. Es reicht, wenn die Menschen des Volkes Anhänger eines eigenen Glaubens und einer eigenen Wert-Ordnung[+] sind.
Auch Demokratie ist bisher noch immer Herrschaft, sogar dem Namen nach, Regeln werden da verodnet und 'geben' erfolgt dort im Sinne von 'befehlen' und nicht im Sinne einer Vereinbarung. Solange Macht herrscht, wird Macht auch missbraucht.
Die Politiker werden vom ganzen Volk gewählt, sollen auch das ganze Volk vertreten, sind aber zugleich Spielball der Interessen des Kapitals.
Das Kapital stellt sich folgendermaßen dar:
- Produktions-Mittel[+] (Fabriken, Maschinen, Werkzeuge, usw.) und Anteile
- verleihbares Sach-Kapital (Gebäude, Land, usw...)
- Patente und Wissen
- Geld, Unternehmens-Anteile, Aktien und andere Wert-Papiere
Das Kapital muss aufgrund des Zinses[+] ständig wachsen[+]. Der Zins[+] (Miete, Pacht, Lizenzgebühr, usw.) wird immer erarbeitet. Vom Zins[+] kommen also die Zwänge[+] zur Arbeit[+].
Aristoteles ( 1. Buch, 1258b ) sagte dazu:
Denn für den Warenaustausch entstand es, der Zins[+] aber macht aus Geld mehr Geld. Daher auch sein Name [griechisch "tokos" - Zins[+] und Geborenes - Anm. JL]. Denn die Geborenen sind den Erzeugern ähnlich.
Der Zins[+] aber ist Geld von Geld, so daß von allen Erwerbszweigen dieser der naturwidrigste.“
Mohammed[+] sagte (Sure 2 Vers 275, die Kuh, al-Baqara):
Dies (wird sein), weil sie sagten:
„Verkaufen ist das gleiche wie Zinsnehmen[+].“
Doch hat Allah Verkaufen erlaubt und Zinsnehmen[+] verboten.
Zu wem nun eine Ermahnung von seinem Herrn kommt, und der dann aufhört, dem soll gehören, was vergangen ist, und seine Angelegenheit steht bei Allah.
Wer aber rückfällig wird, jene sind Insassen des (Höllen)feuers.
Ewig werden sie darin bleiben.“
Man muss also grundsätzlich den Zins[+] beim Verleih von Geld unabhängig vom Gewinn beim Handel (Mehrwert bei Marx[+]) betrachten. Entscheidend ist, was mit den akkumulierten[+] Gewinnen geschieht. Bei positivem Zins[+] wachsen[+] diese Ansammlungen von Totem und zwingen das Lebendige zur Arbeit[+] und darin steckt der Irrsinn des Kapitalismus[+].
Es ist richtig, dass über den Handel Macht ausgeübt wird. Wie das geschieht ist in der Metapher der „unsichtbaren Hand“ beschrieben.
Der Zins[+] stört nämlich das Markt-Gleichgewicht. Ich habe das einmal hier ausgerechnet.
Zusammenfassung (unsichtbare Hand)
Die Zins[+]-Schulden, die am bestehenden Kapital entstehen, werden über die Störung des Markt-Gleichgewichts vom Kapital ausgehend nach Außen abgeleitet, wenn sie nicht irgendwo entlang der Wert-Schöpfungs-Ketten allokiert werden können. Mit Allokation meine ich die Bereitschaft und die Fähigkeit eines einzelnen Markt-Teilnehmers entlang der Kette, die Zins[+]-Schuld selbst zu tragen und sie also nicht auf Markt-Partner zu übertragen.
So betrachtet ist Globalisierung ein Verdrängungs-Prozess von Zins[+]-Schulden.
Die Schulden „strahlen vom Kapital ab“ und werden auf weiter außen Stehende (am Rand der Zivilisation) übertragen. Deswegen ist die Kolonial-Zeit als eine frühe Phase der Globalisierung begreifbar.
Es herrscht also nicht nur das Volk über die Demokratie, sondern, bei positivem Zins[+] vor allem das Kapital.
Das Prinzip der sozialen Markt-Wirtschaft beruht nun einfach darauf, diesen Prozess der Zins[+]-Allokation möglichst sozial-verträglich zu gestalten.
- Hierarchie: verwandt mit Monopolbildung und Monarchie.
- Heterarchie: wie Organe im menschlichen Körper arbeiten, wie die Realwirtschaft in Zweige und Segmente organisiert ist.
- Anarchie: keine Ordnung[+] der Bestimmung, Willkür.
Ich bin ja ein Freund der Selbst-Bestimmung. Ich denke, dass der Mensch nur aus sich selbst heraus sein Verhalten auf eine gesunde Art und Weise verändern kann. Mit der Ausübung von Zwängen[+] läuft man immer Gefahr, dass die Veränderung die bewirkt wird nicht nachhaltig ist, weil sie mit der selbst-bestimmten Veränderung unvereinbar ist. Ich denke, man darf jemandem das Nehmen von bestimmten Dingen verweigern, doch darf man nicht einfach von ihm nehmen um ihn zu verändern.
Ich glaube, dass alle Elemente des Über-Ichs aus der Zins[+]-Nahme entstanden sind. Das kollektive Über-Ich[+] und unsere Werte, sind Regeln, Gesetze und Normen die uns das Überleben im Kapitalismus[+] ermöglicht haben. Es sind Anpassungen an die Zins[+]-Nahme.
Das Hirn ist quasi die Bundeslade, die Regeln, Gesetze und Normen liegen darin und sind in Stein gehauen, und unsere Ängste[+] (die Cherubim[+]) „bewachen“ sie.
[...]
Gott ist Herrscher Himmels und der Erden, außerdem allmächtig, sagen und schreiben seine Priester und wollen kassieren, wenn sie uns Seelenheil zu verkaufen versuchen (Pierre Bourdieu). Wenn jemand reich wird, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass er gottgefällig lebt, sagen die Evangelikalen in USA, je reicher desto gefälliger.
An dieser Grenze stehen wir nun.
Wir kehren jetzt um, machen die Zinsen[+] negativ, so dass die Wirkung der Hingabe ist, dass vom Toten (dem Kapital) genommen wird um dem Leben zu geben.
Darf ich diese Email (mit Deinem Text drin) veröffentlichen, Reinhold?
Viele Grüße,
Tim
⌂ Querverweise auf 'In Antwort auf Email von Reinhold Tomczak'
- Aktuelles (Blog)
- William N. Goetzmann zu Aristoteles, den Scholastikern und den italienischen Grundlagen des heutigen Kapitalismus; Das Geld als künstliche Lebensform; Diebstahl von Zeit und eine verallgemeinerte Definition des Arbeitsbegriffs; Moderne Leibeigenschaft; Der Justinianische Codex für Kredite und die Textstelle Lukas 6:35 in der Vulgata; Wie man die Wirkungen von Negativzinsen aus den Wirkungen positiver Zinsen ableitet
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