⌂ Bedürfnisse
Ein menschliches Bedürfnis ist, ökonomisch betrachtet, die Nachfrage nach einem Gut. Ökonomie[+] hat grundsätzlich das Ziel, die Bedürfnisse der Menschen zu stillen, also die Nachfrage nach den Gütern des Bedarfs zu stillen. In Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung[+] schreibt Joseph Schumpeter[+][1, S. 14]:
Je nach gesellschaftlicher Konvention lassen sich menschliche Grundbedürfnisse grob in handelbare und nicht handelbare Kategorien unterteilen, wobei nicht handelbare Kategorien wiederum in staatliche Leistungen und andere, zumeist existenzielle Bedürfnisse zerfallen.
⌂ Hierarchie elementarer Bedürfnisse
Die Existenz jedes Lebewesens erzeugt ständig neue Nachfrage, also auch eine Schuld, da für die Existenzsicherung ein Strom von Lebens/Existenz erhaltenden Gütern aufrecht erhalten werden muss. Eine hierarchisch, nach Wichtigkeit und Bedeutung absteigend angeordnete Liste von Gütern beginnt mit der Luft, die alle paar Sekunden eingeatmet werden muss, um das Bedürfnis nach Sauerstoff stillen zu können, als nächstes folgt wohl Schlaf, der an einem Ort stattfinden muss, an dem Ruhe und Sicherheit für den schlafenden schutzlosen Körper besteht. Dann kommen wasserhaltige, lebensverträgliche Flüssigkeiten, die dem Körper spätestens alle paar Tage zugeführt werden müssen und als letztes benötigt der Körper feste Nahrung.
⌂ In den Industriestaaten handelbare Bedürfnisse
Die in den Industriestaaten der Welt zur Stillung menschlicher Bedürfnisse gehandelten Güter lassen sich weiter grob nach Priorität hierarchisieren
- Nahrung, Kleidung,
- Kommunikation,
- Obdach, Nutzwasser, Energie,
- Urlaub[+], Kultur, Sport,
- Mobilität,
- Grundbesitz,
- Produktionskapital,
Der Preis des Bedarfsgutes bildet sich am entsprechenden Markt im Spiel von Angebot und Nachfrage, wobei zu bedenken ist, dass die Preisbildung[+] im Kapitalismus[+] nicht frei ist, es also im Kapitalismus[+] keine freien Märkte geben kann.
Der Preis mancher dieser Güter bildet sich indirekt. Zum Beispiel ist die Implikation der Erholung durch Urlaub[+] eine Unterbrechung der Arbeit[+], die zu einem Einnahmenückgang führt. Dieser Einnahmenrückgang bildet einen Teil des Preises für Urlaub[+]. Der Preis ist in Wirklichkeit jedoch niedriger als nur so gemessen: Ein erholter Mensch ist ausgeglichener und gesünder, und dies hat einen schwierig zu messenden jedoch hohen Wert.
Die Unterscheidung zwischen Verbrauchs- und Gebrauchs- und Nutzgütern des Bedarfs richtet sich nach der Zeit[+], nach der das Gebrauchs- und Nutzgut durch Nutzung und natürlichen Zerfall vollständig unbrauchbar geworden ist bzw. nach der Zeit[+], nach der die Instandhaltungkosten eines Gebrauchsguts die Höhe des Anschaffungs- bz. Herstellungswerts erreichen. Ein Gebrauchsgut kann mehrere Male verwendet werden, ein Verbrauchsgut hingegen nur ein einziges Mal.
⌂ Freie, (noch) nicht gehandelte Bedürfnisse
Die nicht handelbaren, bzw. Anfang des 2. Jahrtausends noch nicht gehandelten Güter sind elementarer, notwendiger Teil der menschlichen Existenz, wie der Beziehung des Menschen zu seiner sozialen Umwelt und Gemeingüter und Dienstleistungen des Staates:
- eine intakte Umwelt
- medizinische Versorgung
- Familie und sozialer Austausch
- regenerativer Rückzug und Erholung, Freizeit, Sport
- öffentliche Ordnung[+], Rechtsstaatlichkeit[+] und Demokratie
- Bildung: Ausbildung, Fortbildung, Studium.
⌂ Eigentum und Besitz als Voraussetzung für die Stillung von Bedürfnissen
Die Bedürfnisse eines Menschen sind durch seine Existenz gegeben. Ökonomisch betrachtet entsteht durch ein existenzielles Bedürfnis in Kombination mit dem Menschenrecht auf Existenz eine Schuld an der (sozialen) Umwelt, die der Mensch auszugleichen versucht, wenn er es nicht selbst und unabhängig von anderen stillen kann. In einer Umgebung, in der sich der Mensch selbst versorgen kann, weil das Land auf dem die Früchte zu seiner Ernährung Gemeingut ist, kann der Mensch arbeiten und die Früchte zur Stillung seiner Bedürfnisse verbrauchen (vgl. Daniel Defoes Robinson Crusoe). Die Begleichung dieser existenzbedingten Schuld geschieht durch irgendeine Form von Arbeit.
Die Herstellung mancher Bedarfsgüter lässt sich in zwei Formen realisieren:
Es versteht sich von selbst, dass Eigentum[+] eine Voraussetzung für Verbrauch ist, wenn durch den Verbrauch keine neuen Schulden entstehen sollen. Gebrauchsgüter können hingegen gemietet (geliehen) werden (siehe Unterschied Eigentum und Besitz).Durch unterschiedliche Bedürfnisse entsteht in einer arbeitsteiligen sozialen Gemeinschaft ein reiches Spektrum von Berufen. Dieses Berufsspektrum spiegelt das Spektrum an Bedürfnissen. Die folgende Tabelle zeigt die Zweige der Wirtschaft bzw. die Märkte, die den einzelnen handelbaren Bedürfnissen zugeordnet sind:
Bedürfnis | Besitzform[+] und Herstellung | Eigentumsform[+] und Herstellung |
---|---|---|
Nahrung | - | Landwirtschaft, Lebensmittelindustrie, Gastronomie |
Kleidung | - | Textilindustrie |
Kommunikation | Telekommunikationsunternehmen, Post, Massenmedien | - |
Obdach | Wohnungsmarkt | Immobilienwirtschaft |
Nutzwasser | Wasserwirtschaft | Brauch- und Regenwasseraufbereitung |
Energie | Energiewirtschaft | Blockheizkraftwerk |
Mobilität | ÖV, Bahn, Fluggesellschaften | Fahrrad, Auto |
Grundstück | Pacht | Grunderwerb |
Produktionskapital | Pacht von Produktionskapital | Eigenes Produktskapital |
⌂ Bedarfsgüter, Wert, Sättigungskosten
Der Bedarf an einem Bündel von Gütern wird durch ein negatives Vorzeichen vor einem Vektor mit positiven Elementen (Bedarfsvektor) dargestellt: $$ \text{Bedarf}=\mathbf{N}(t), $$ wobei $\mathbf{N}(t)$ ein Gütervektor ist. Die Wertfunktion angewandt auf den Bedarfsvektor liefert $$ W(-\mathbf{N}(t))=-W(\mathbf{N}(t))=-\sum\limits_i p_i\cdot N_i(t), $$ also die Sättigungskosten. Der Preis $p_i$ zur Erreichung des Guts $N_i$ bildet sich am Markt im Spiel zwischen Angebot und Nachfrage. Festzustellen ist, dass die lebensnotwendigen Güter von außerhalb der Eigentums- und Besitzsphäre kommen müssen, wenn sie dort nicht vorhanden sind.
⌂ Referenzen / Einzelnachweise
⌂ Querverweise auf 'Bedürfnisse'
- Technisch-naturwissenschaftliche Terminologie bei den Systemtheoretikern und den Kritikern der Systemtheorie - Zivilisation in der Nussschale
- Verarbeitung eines Zitats von Yanis Varoufakis; Wie ist jedoch der Zustand?; Wie ist dieser Zustand eigentlich entstanden?; Was passiert eigentlich, wenn die Zinsen negativ sind?
- Teleologische Reihen; Kausalität und die Länge teleologischer Reihen; Synonyme und Analoga; Vergleich zwischen Sinn- und Kausal-Ordnung nach Thure von Uexküll; Existenz als Zweck; Grundzweck: das Existenzminimum; Höhere Zwecke - höhere Formen der Existenz; Teleologisches Handeln einer Gruppe; Referenzen / Einzelnachweise
- Tauschwirtschaft; Tauschwertverhältnis; Tauschwirtschaft im Gleichgewicht; Entkopplung der Tauschgeschäfte; Einführung von Geld und Preis; Geldfunktionen; Referenzen / Einzelnachweise
- Zins-induziertes-Verhalten; Monetäre Schuld, Zwang und Selbstbestimmung; Entstehung des Über-Ichs im Prozess der Zivilisation nach Norbert Elias; Ängste und Werte; Entstehung von Wert nach Georg Simmel; Die zentrale Konditionierung im Kapitalismus und Ursprung der Spaltung; Referenzen / Einzelnachweise
- Die goldene Regel, das nomische Gleichgewicht in Austauschbeziehungen und der Zins; Übertragung von Zwängen in Austauschbeziehungen; Quellen von ökonomischer Heteronomie; Wo liegt die eigentliche Quelle der Heteronomie?; Autonomie relevanter sozio-ökonomischer Rollen; Leihgeber vs. Leihnehmer, Eigentümer vs. Besitzer und Gläubiger vs. Schuldner; Selbstständig oder Angestellt?; Profitabilität: Einschränkung der funktionalen (Selbst)Bestimmung (Berufsausübung) auf mehrheitsfähige private Zwecke; Unternehmer vs. (Mit) Arbeiter und Arbeit„geber“ vs. Arbeit„nehmer”; Selbstbestimmung des Konsumenten; Welches Vermögen müsste der Mensch also haben, so dass die Zinsen auf sein Geldvermögen genau so groß sind wie seine Ausgaben?; Negativen Zinsen: Stärkung der Autonomie gegenüber dem Kapital; Referenzen / Einzelnachweise
- Unternehmen, Stoffströme und Verbraucher; Das Unternehmen; Angebot und Nachfrage; Ohmsches Gesetz für Stoffströme; Versteckte und sozialisierte Kosten
- Ökonomisches und Wirtschaftliches Handeln: Urzins und Nutzen; Vernunft, Rentabilität und Handlungszins (Urzins); Nutzen
- Konsum oder Investition?; Existenzminimum; Die Schwelle zur arbeitsfreien Existenz; Konsumfolgen - Lieferketten und Fernwirkung; Wirkung von Investition (Konsum-Zurückstellung) bei positivem und negativem Zins
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