⌂ Der Übergang von der Mikro- zur Makroskala in der Beschreibung von Verflechtungen in der Realwirtschaft
Setzt man sich einmal in einen Raum seiner Wohnung und stellt sich die Frage, wieviele der sich darin befindlichen Gegenstände man selbst, also mit dem eigenen Wissen, den Fähigkeiten und den in der Gegend vorhandenen Rohstoffen herstellen kann, dann wird einem bewusst, dass die meisten Gegenstände in komplexer Arbeitssteilung entstanden sind. Selbst an der Herstellung von Lebensmitteln müssen streng genommen alle Unternehmen in die Betrachtung einbezogen werden, die die Werkzeuge des Lebensmittelproduzenten (also Traktoren, Maschinen, Saatgut, Agrarchemikalien, Betriebsmittel, usw.) hergestellt haben.
Ein Unternehmen stellt etwas her, das Bedürfnisse (eine Nachfrage) stillen soll. Aus Sicht des Konsumenten oder Nutzers ist das vom Unternehmen hergestellte Produkt ein Mittel[+], der Konsum oder die Nutzung des Produktes ist die Erreichung des Zwecks[+].
Der Zweck[+] des Endverbrauchers kann als der Endzweck einer hintereinander geschalteten Wertschöpfungs-/ Liefer Kette von Einzelunternehmen in Arbeitsteilung[+] betrachtet werden. Die gesamte an der Herstellung des Produktes beteiligte Wertschöpfungskette ist das dazugehörige Mittel[+] und kann in aufeinander aufbauende Teilunternehmungen zerlegt werden, die jeweils einen Teil der Mittel[+] aller jeweils daran anschließenden Unternehmen darstellen.
Der Begriff der teleologischen Reihe ist der soziologische (Co-) Terminus für den in den Wirtschaftswissenschaften gebräuchlichen Begriff der Wertschöpfungs- oder Lieferkette. Der Endzweck der Reihe/Kette, der Zweck[+] der Produktion, ist jeweils die Stillung eines menschlicher Bedürfnisses, der Konsum. Die Produktion ist das Mittel[+], der Konsum ist der (End-) Zweck[+]. Ein wesentlicher Unterschied zwischen (Zivilisations-) Mensch und Tier ist die Länge der teleologischen Reihen, also die Komplexität unserer Mittel[+] (Werkzeuge).
Haben sich in einem Gebiet Verkörperungen des Handelns, Unternehmen gebildet, die mit ihrem Handeln die Nachfrage eines Guts zu einer Sättigung bringen wollen, beginnen sie mit der Herstellung eines Stoffstroms. Förderunternehmen haben als Kosten für den Abbau eines Gutes die Investitionskosten für die Fördermaschinen und -anlagen und die im Abbaubetrieb entstehenden laufenden Kosten, also Betriebsmittel und Personal. Die Unternehmen nehmen Arbeit[+] von den Angestellten und zahlen dafür Löhne. Das Ergebnis des Prozesses, der durch den Unternehmensgründer initiiert wird, ist ein Stoffstrom.
⌂ Mikro und Makro-Wertschöpfungsketten
Eine Volkswirtschaft besteht aus Unternehmen. Die Verflechtung der Unternehmen („Mikro-Unternehmen“)
in einer Volkswirtschaft ist als Aggregation von Mikrounternehmen zu Netzwerken von Unternehmen („Makro-Unternehmen“) beschreibbar.
Um die Volkswirtschaft als Ganzes zu beschreiben, kann man dazu übergehen,
die Stoff/Guts Ein- und Ausgänge an den beteiligten Mikrounternehmen
als die Ein- und Ausgänge eines großen Markounternehmens zu beschreiben.
Die Verflechtung besteht in der Verknüpfung von Ausgängen des einen Mikrounternehmens
mit den Eingängen des weiterverarbeitenden Mikrounternehmens (Begriff der Wertschöpfungskette, siehe auch
Lieferkette, supply-chain
sowie Wertkette). Durch die Weiterverarbeitung entsteht
also eine mehrgliedrige Kette und insgesamt ein ganzes Netzwerk. „Mikro“ und „Makro“
meint in der Beschreibung also lediglich die Betrachtungsskala.
Den Gesamtgraph so einer verflochtenen Wertschöpfungskette kann man wieder durch ein
einzelnes „Makrounternehmen“ ersetzen, in das alle Rohstoffe der beteiligten Mikrounternehmen,
sämtliche (Fach)arbeitskraft, Energie, Kommunikation eingespeist wird, und aus dem
alle Mikroprodukte und sämtlicher Abfall, wenn er nicht intern weiterverarbeitet
wird herauskommt. Der Begriff der Wertschöpfungskette ist skaleninvariant. Es spielt
in der Beschreibung keine Rolle, ob man die Wert-schöpfenden Vorgänge in einem Unternehmen
oder in der gesamten Volkswirtschaft beschreibt. Lediglich die Größenordnung und die am Gut
verrichtete Arbeit[+] ist eine andere. Ein kleiner Unterschied besteht lediglich darin, dass
auf der Makroskala zwischen den Ausgängen des einen und den Eingängen des weiterverarbeitenden
Unternehmens ein Markt geschaltet ist, während auf der Mikroskala (innerhalb) von Unternehmen
diese Märkte nicht bestehen.
⌂ Soziologische Beschreibungen der Genese komplexer Wertschöpfungsketten
In der soziologischen Literatur wird der Prozess der Entstehung langer Wertschöpfungsketten (langer teleologischer Reihen) und einer auf voneinander getrennte Entitäten übertragenen, verflochtenen Arbeitsteilung[+] als Koevolution der Entwicklung der Geldwirtschaft beschrieben, nachdem zu Beginn des Mittelalters[+], etwa im 11. Jh., die großräumige Verteilung von belehnbaren und bewirtschaftbaren Böden abgeschlossen war. Der „Urzustand[+]“ der Wirtschaft des Mittelalters[+] und vermutlich auch die Wirtschaftsform im sog. „Urkommunismus“ stellt sich in einfachen Formen von Tauschwirtschaft, die sog. Naturalwirtschaft dar, die anfangs, vor der Entwicklung der Geldwirtschaft und unter der Zinsnahme[+] der oberen gesellschaftlichen Schichten überwiegend Subsistenzwirtschaft (also einfache arbeitsteilige Formen des Selbsterhalts) war.
Mit der Einführung eines universellen Tauschmittels innerhalb der Geldwirtschaft begann die Entwicklung einer komplexeren arbeitsteiligen Wirtschaft[1, S.43 f]:
Allzu leicht werden diese Begriffe zu Wortfetischen, aus denen jede Anschaulichkeit verschwunden ist und damit im Grunde jede Klarheit. Dies mag - in aller Kürze, die hier unvermeidlich ist - eine gewisse Anschauung von den gesellschaftlichen Verhältnissen geben, auf die der Begriff »Naturalwirtschaft« hier hinweisen soll. Was er zeigt, ist eine ganz spezifische Form, in der die Menschen aneinander gebunden und voneinander abhängig sind. Er bezieht sich auf eine Gesellschaft, in der der Übergang der Güter von dem, der sie aus dem Boden holt, der sie der Natur abgewinnt, zu dem, der sie verbraucht, unmittelbar, nämlich nicht nur in ganz geringem Maße durch Zwischenglieder, erfolgt und die Verarbeitung im Hause des Einen oder des Anderen, die gegebenenfalls eins sein können.
Dieser Weg differenziert sich ganz allmählich. Es schalten sich langsam immer mehr Menschen als Funktionäre der Verarbeitung und Verteilung in den Übergang des Gutes vom ersten Erzeuger zum letzten Verbraucher ein. Wie das geschieht und vor allem, warum das geschieht, was dieser Verlängerung der Ketten die Antriebe gibt, ist eine Frage für sich. Jedenfalls ist das Geld nichts anderes als ein Instrument, das man braucht und das die Gesellschaft sich schafft, wenn diese Ketten länger werden, wenn Arbeit[+] und Verteilung sich differenzieren und das unter gewissen Umständen diese Differenzierung zu verstärken neigt.
Gebraucht man die Begriffe »Naturalwirtschaft« und »Geldwirtschaft«, dann sieht es leicht so aus, als besteht zwischen diesen beiden Wirtschaftsformen ein absoluter Gegensatz, und die Vorstellung von einem solchen Gegensatz hat manche Dispute entfesselt. Im konkreten, gesellschaftlichen Prozess verlagern und differenzieren sich die Ketten zwischen Erzeugung und Verbrauch sehr allmählich, ganz abgesehen davon, dass in bestimmten Sektoren der abendländischen Gesellschaft eine wirtschaftliche Kommunikation über längere Strecken und damit der Gebrauch des Geld nie ganz aufhörte.
Ganz allmählich vergrößert sich also auch in der abendländischen Gesellschaft der geldwirtschaftliche Sektor, die Differenzierung der gesellschaftlichen Funktionen, die Verflechtung der verschiedenen Gebiete, die Abhängigkeit grösserer Menschenmengen voneinander; alles das sind verschiedene Aspekte des gleichen, gesellschaftlichen Prozesses. Und nichts anderes als eine Seite dieses Prozesses ist auch die Veränderung der Herrschaftsform und der Herrschaftsapparatur, von der die Rede war. Die Struktur der Zentralorgane korrespondiert dem Aufbau der Funktionsteilung und Verflechtung. Die Stärke der zentrifugalen, auf lokale, politische Autarkie[+] gerichteten Tendenzen in den vorwiegend naturalwirtschaftenden Gesellschaften entspricht dem Grad der lokalen, ökonomischen Autarkie[+].
Allerdings differenziert sich gerade wegen der Größe dieses Domanialbesitzes auch der Betrieb innerhalb seiner selbst. Ähnlich, wie etwa in der Antike die großen Sklavengüter zum Teil für den Markt arbeiten, zum Teil aber unmittelbar für den großen Haushalt der Herrschaft und in diesem Sinn noch immer eine differenziertere Art der marktlosen Wirtschaft und Betriebsform darstellen, so auch diese großen Feudalbesitzungen[+]. Das mag bis zu einem gewissen Grade für die einfacheren Arbeiten[+] innerhalb ihrer gelten; das gilt vor allem auch für die Organisation des Betriebs. Der Domanialbesitz der großen Feudalherren bildet ja so gut wie nie einen einzigen, mächtigen, landschaftlich geschlossenen Komplex. Die Güter sind auf recht verschiedenen Wegen, durch Eroberungen, Erbschaften, Schenkungen oder Heiraten ganz allmählich in einer Hand gekommen. Sie liegen meist in verschiedenen Gegenden innerhalb des Territoriums verstreut, und sie sind daher auch nicht mehr so leicht überseebar wie ein kleineres Besitztum[+].
Man braucht eine Zentralapparatur, Menschen, die das Aus- und Eingehen der Güter beaufsichtigen, die die Rechnungen führen, so einfach das auch zunächst geschehen sein mag, Menschen, die zugleich das Einkommen der Abgaben überwachen und sich darüber hinaus mit der Verwaltung des Territoriums befassen. »Der kleine Feudalhof war unter intellektuellem Gesichtspunkt ein rudimentäres Organ, besonders wo der Herr selber weder schreiben noch lesen konnte.«. Die Höfe der großen und reichen Feudalherren ziehen zunächst einmal schon zu Verwaltungszwecken einen Stab von gelehrten Klerikern an sich. Aber diese großen Feudalherren sind, wie gesagt, kraft der Chancen, die Ihnen in dieser Zeit[+] zu strömen, die reichsten und mächtigsten Männer ihres Gebiets, und es wächst[+] mit der Möglichkeit[+] zugleich auch das Verlangen, dieser Stellung durch Glanz und Schmuck des Hofes Ausdruck zu geben. Sie sind reicher nicht nur als die anderen Ritter, sondern zunächst auch als irgendwelche Stadtbürger.
Daher haben die großen Feudalhöfe im Bild dieser Zeit[+] auch eine weit größere, kulturelle Bedeutung als die Städte. Sie werden im Konkurrenzkampf der Territorialherren untereinander zu Repräsentationsstätten für die Macht und den Reichtum ihrer Gebieter.
⌂ Referenzen / Einzelnachweise
⌂ Querverweise auf 'Der Übergang von der Mikro- zur Makroskala in der Beschreibung von Verflechtungen in der Realwirtschaft'
- Aktualisierung: Entstehung von Geldwirtschaft, Feudalhöfe und Großkonzerne
- Email an Prof. Patzelt
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- Missbrauch lebendiger Mittel, Bivalente Logik und der Zins; Allgemeine Analyse zum Missbrauch lebendiger Mittel; Zinsanteil am Missbrauch lebendiger Mittel; Ursprung der bivalenten (wertspaltenden) Logik und des mechanistischen Denkens; Warum die Welt in diesem Zustand ist und Herleitung negativer monetärer Zinsen
- Zinsallokation und Zinsflüsse; Grobe Übersicht über Zinsflüsse; Eine subtile Störung im Transport-Medium: die Unsichtbare Hand an den Märkten; Das Leihkapital: Quelle und Senke von Zinsen; Streuung und Absorption von Zinsschulden; Teilung der Zins-Quellen/Senken in Währungsin- und Währungsausland; Aufteilung der Zinslast auf private und öffentliche Haushalte und auf Unternehmen; Beschreibung der Preisentwicklung; Verteilung der Zinslast in Unternehmen; Allgemeine, detaillierte und diskrete Formulierung des Zins-Transports; Quellen und Senken für Kreditzinsen; Transportgleichung für den Kreditzins; Detaillierte Interpretation der Absorptions- und Verteilungskoeffizienten; Nicht-Diagonal-Elemente der Zins-Extinktions-Matrix: Übertragung von Zinsen; Gestreute Zins-Wirkung: Konsumpreise und Inflation; Diagonal-Elemente der Zins-Extinktions-Matrix: Absorption von Zinsen; Absorption und Streuung der Zinslast in Arbeitsintensität und Löhne; Zusammenfassung; Referenzen / Einzelnachweise
- Tauschwirtschaft; Tauschwertverhältnis; Tauschwirtschaft im Gleichgewicht; Entkopplung der Tauschgeschäfte; Einführung von Geld und Preis; Geldfunktionen; Referenzen / Einzelnachweise
- Ideengeschichte der Negativzins-Wirtschaft in groben Zügen; Die postkapitalistische Welt im altägyptischen und jüdischen Narrativ; Buddha (563 v.Chr. - 483 v.Chr.); Heraklit (520 v. Chr. - 460 v. Chr.) und Aristoteles (384 v. Chr. - 322 v. Chr.); Jesus; Mohammed (ca. 570 n. Chr. - 632 n. Chr.); Abendländische Geschichte; François Quesnay (1694-1774); Quesnays Zinskritik und „natürlicher“ Zinssatz; Einschub: Zum Zusammenhang der Eschatologien der abrahamitischen Religionen, der Jenseitsvorstellung der altägyptischen Mythologie und dem Ende des Kapitalismus; Karl Marx (1818 - 1883) und Friedrich Engels (1820 - 1895); Das Kapital; Das kommunistische Manifest; Kommunisten als politische Kraft; Georg Simmel (1858 - 1918); Die Geldarmut als Zweck des Kapitalismus, der Endzweck als Andeutung des Kapitalismus' als Mittel; Silvio Gesell (1862-1930) und Irving Fisher (1867-1947); Joseph Alois Schumpeter (1883-1950); Niklas Luhmann (1927-1998) ; Die unzähligen Anderen; Referenzen / Einzelnachweise
- Zins-induzierte Parlamentarische Fraktionen; Spaltungsmechanismus; Entwicklung der Spaltung parlamentarischer Fraktionen; Zusammenfassung
- Wirkung des Kapitalismus auf die Umwelt; Wirtschaft als Netzwerk von Austauschbeziehungen; Ungestörte Austauschbeziehungen - freie Märkte; Gestörte Austauschbeziehungen als Folgewirkung des Zinses; Die Organe der menschenlichen Produktionsmatrix: Unternehmen und Lieferketten; Kritik des positiven Zinses im Mittel-Zweck-Schema im Hinblick auf die ökologischen und sozialen Schäden; Suggestiv überhöhte Zwecke: Konsumpropaganda; Suggestive Minderung des Wertes des Mittels; Verdrängung und Ignoranz; Ist der Urzins noch zu retten?; Referenzen / Einzelnachweise
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