⌂ Tauschwirtschaft
Der „Urzustand[+]“ der Wirtschaft des Mittelalters[+] und vermutlich auch die Wirtschaftsform im sog. „Urkommunismus“ stellt sich in einfachen Formen von Tauschwirtschaft, die sog. Naturalwirtschaft, die anfangs, vor der Entwicklung der Geldwirtschaft und unter der Zinsnahme[+] der oberen gesellschaftlichen Schichten überwiegend Subsistenzwirtschaft war dar[1, S. 42]:
⌂ Tauschwertverhältnis
Das Tauschwertverhältnis tritt zutage wenn der Tausch zweier Güter abgeschlossen ist. Nach dem Tausch stehen einander im subjektiven Wert entsprechende Gütermengen gegenüber: $$ N_1\cdot G_1\leftrightarrow N_2\cdot G_2, $$ wobei $G_i$ die Güter sind und $N_i$ die Stückzahlen bzw. Mengen, so dass unter der Benutzung der formalen Wertfunktion
Aus dieser Gleichung läßt sich das Wertverhältnis der beiden Güter aus dem Quotienten der ausgetauschten Stückzahlen/mengen ablesen z.B.: $$ \frac{W(G_1)}{W(G_2)}=\frac{N_2}{N_1}. $$
⌂ Tauschwirtschaft im Gleichgewicht
Man stelle sich vor, wie in einem räumlich begrenzten Gebiet eine Anzahl Menschen lebt. Jeder Mensch habe existenzielle Bedürfnisse an Gütern $G_1$, $G_2$, $G_3$, $G_4$, ..., $G_n$. Da es aber dem Einzelnen nicht möglich ist, all diese Bedürfnisse durch Herstellung der entsprechenden Güter zu stillen, wird in der Gemeinschaft die Herstellung der Güter (die Arbeit) geteilt. Nehmen wir weiter an, die individuelle Grundbedürfnisstruktur sei $$ \{N_{0 1},N_{0 2},N_{0 3},N_{0 4},\ldots,N_{0 n}\} $$ und dass in dem Gebiet $N_\text{Menschen}$ leben. Der Gesamtbedarf an Grundbedarfsgütern (Lebensmitteln) ist also $$ N_\text{Menschen}\cdot\{N_{0 1},N_{0 2},N_{0 3},N_{0 4},\ldots,N_{0 n}\} $$
Unter der Voraussetzung, dass sich der Wert der Güter nicht ändert, dass also unter den Käufern und Anbietern gleiche und zeitlich konstante Wertvorstellungen existieren, gilt für alle möglichen Güter $G_i$ nach den Tauschgeschäften: $$ N_1\cdot W(G_1)=N_2\cdot W(G_2)=N_3\cdot W(G_3)=N_4\cdot W(G_4). $$
Diese zeitlich konstanten Wertvorstellungen ergeben sich zum Beispiel aus der Annahme, dass sich die Bedürfnisse an den Gütern nicht ändern und dass die Güter mit der selben Rate mit der sie in das Gesamtsystem durch ihre Herstellung eingespeist werden aus ihm durch Konsum/Verbrauch wieder entfernt werden, dass also $$ \text{Herstellungsrate}=\text{Verbrauchsrate} $$ ist. Wenn diese Bedingung erfüllt ist, dann befindet sich die Tauschwirtschaft in einem Gleichgewicht (Autarkie[+], Subsistenz, „Selbstunterhaltung“).
⌂ Entkopplung der Tauschgeschäfte
Das Leben der Menschen der Gemeinschaft läuft nun so ab, dass die Menschen sich zu einem bestimmten vereinbarten Zeitpunkt[+] treffen, um die Dinge des täglichen Bedarfs miteinander auszutauschen. Dazu bringt jeder das von ihm hergestellte Gut mit und tauscht es gegen die anderen Güter seines Bedarfs aus. Ist das ausgetauschte Gut schwierig zu transportieren oder entsteht durch den Transport[+] aufgrund der transportierten Menge ein signifikanter Mehraufwand für einen Güterhersteller, wird dieser versuchen, an einem sich wiederholenden Tag seine Güter auf dem Markt auszustellen.
Ist die Gemeinschaft groß, so bietet es sich auch an, dass an bestimmten Tagen bestimmte Güter auf dem Markt zu Tausch angeboten werden. Gehen die Menschen dann zum Anbieter und nehmen von ihm hergestellte Gut, so muss sich dieser merken, wem er wieviel gegeben hat. Umgekehrt müssen sich die Menschen merken, wem sie wieviel des von Ihnen selbst hergestellten Guts gemessen in Einheiten des geschuldeten Guts schulden.
Diese „Probleme der Bereithaltung von Information“ lassen sich mit Schuldscheinen oder mit einem Schuldschein für ein universelles Tauschgut Geld lösen. Wie das Geld sich auf die einzelnen Güter aufschlüsselt, ist ja in der individuellen Güterbedarfsstruktur gespeichert, die jeder kennt.
⌂ Einführung von Geld und Preis
Norbert Elias[+] beschreibt die Einführung von Geld und Preis wie folgt[1, S. 42]:
Der Zweck[+] der Einführung von Geld ist also, die Informationen die in der Güterbedürfnissstruktur und in den zeitlich inkohärent (asynchron) ablaufenden Tauschgeschäften auftreten raumübergreifend zu verwalten. Dazu emittiert die Notenbank, bzw. die zentrale Münzprägestelle, eine bestimmte Menge/Anzahl von Schuldsymbolen (Scheine oder Geldstücke), eine bestimmte Geldmenge $M$ in die Gemeinschaft, welche als universelles Tauschgut in Tauschgeschäften zur Aufbewahrung von Information verwendet werden können.
Bei der Emission der Geldmenge[+] $M$ werden alle Menschen gleichmäßig berücksichtigt, der individuelle Betrag ist also $$ N_0=\frac{M}{N_\text{Menschen}}. $$
Nach dem vorgestellten Verfahren kann sich jeder den Preis für ein bestimmtes Gut $G_i$ durch die ihm zugewiesene Geldmenge[+] $N_0$ und die Höhe des Bedarfs $N_{0 i}$ ausrechnen. Wie beim Tauschen bezieht man dabei alle Wertverhältnisse auf das besondere Tauschgut $G_0$, das Geld, und erhält so den Begriff des (Geld-)Preises: $$ \frac{W(G_i)}{W(G_0)}=\frac{N_0}{N_i}. $$ Ist $G_0=1€$, ist der Quotient auf der linken Seite also € pro Stück von Gut $G_i$, der (Geld-)Preis in €.
⌂ Geldfunktionen
Das so eingeführte Geld hat also drei Funktionen. Es soll 1. als Maßstab für den Wert einer Menge eines Gutes dienen, 2. ein universelles Tauschmittel sein, das gegen jedes andere handelbare Gut gemäß dem Preis eingetsucht werden kann und 3. soll es zur zeitweiligen Wertaufbewahrung dienen, um die Tauschgeschäfte zeitlich voneinander zu entkoppeln. Durch die Möglichkeit[+], dass Tauschgeschäfte nun asynchron (also nicht mehr streng getaktet) ablaufen, erhält die Gemeinschaft also einen Zugewinn von Freiheit[+].
⌂ Referenzen / Einzelnachweise
- [1] Norbert Elias, Über den Prozess der Zivilisation, Bd. 2, Suhrkamp St W 159, 32. Aufl., 2013, (Erstausgabe 1939).
- [2] Alfons Dopsch, Die Wirtschaftsentwicklung der Karolingerzeit, vornehmlich in Deutschland. Weimar 1912. Bd. 1, S.162;s.a. die allgemeine Darstellung von Herrensitz und Dorf bei Knight, Barnes und Flügel. Economic history of Europe, London 1930, The Manor, S. 163 ff.
- [3] Marc Bloch, Les caractères originaux de l'histoire rurale francaise. Oslo 1931, S. 23.
⌂ Querverweise auf 'Tauschwirtschaft'
- Krieg, Wachstum und Fortschritt; Warum spitzt sich alles am Ende immer zu?; Warum ziehe ich die Natur zum Vergleich heran?; Antwort: Ein Disput mit einem Marxisten; Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, Ausbeutung der Bedürfnisse; Spekulationsblasen, Finanz-Schwindel, Überproduktion und Kriege; Eine Ideologie des Kapitalismus und Politik; Globalisierung der Produktion und des Konsums, Krisentheorie; Krise des Kapitalismus und Kriegsbündnisse; Disput um die negativen Zinsen; Zusammenfassung; Geschäftsbanken profitieren nicht von Negativzinsen; Kerngeschäft der Banken bei positivem und negativem Zins; Negative Kreditzinsen und der Systemwechsel
- Aktualisierung: Entstehung von Geldwirtschaft, Feudalhöfe und Großkonzerne
- Preisbildung; Vom Sinn und Unsinn negativer Preise; Mathematische Beschreibung der Preisbildung; Nutzen; Preisgrenzen bei der Preisbildung; Anbieter-Perspektive; Beispiel: Arbeit; Beispiel: Mietpreis für Wohnungen oder Autos; Beispiel: Unternehmer am Markt; Nachfrager-Perspektive; Die Marktbeziehung und Markttransparenz; Angebots- und Nachfragekurven; Bestimmung der Angebots- und Nachfragefunktionen aus Informationen über die Marktteilnehmer; Referenzen / Einzelnachweise
- Tauschwirtschaft; Tauschwertverhältnis; Tauschwirtschaft im Gleichgewicht; Entkopplung der Tauschgeschäfte; Einführung von Geld und Preis; Geldfunktionen; Referenzen / Einzelnachweise
- Preise, Inflation, nominale und reale Zinsen; Inflation und Deflation durch Zins-Anteil in den Kapitalkosten bei positivem und negativem Zins; Realzins von Bargeld; Referenzen / Einzelnachweise
- Stoffströme und Zins - Zinssog im Kapitalismus - die unsichtbare Hand; Referenzsituation - der freie Markt; Verhandlungsbias bei positivem Zins (Kapitalismus); Konstanter Preis; Elastischer Preis; Gleichgewichtspreis bei einem Zinsbias; Wirkung des Preisbias: Bias im Stoffstrom; Zinsschuld auf der Verkäufer-Seite; Allgemeiner Fall: Unterschiedliche Zinsschuld bei beiden Markt-Partnern a.b.a. die unsichtbare Hand; Vergleich vom Import und Export und Kompensation des Zinssogs; Die Wegwerf und Überflussgesellschaft im Kapitalismus; Stoffstrombias bei negativem Zins: die Reparaturgesellschaft; Übersicht und Zusammenfassung Zins und Preise; Referenzen / Einzelnachweise
- Systemisch unterstützes Verhalten und Werte; Eine letzte Warnung Gottes; Natürliches und unnatürliches Verhalten gegenüber dem universellen Tauschmittel Geld; Systemisch belohnte soziale Werte in einer Negativzinswirtschaft; Umgang mit den kommunistischen Werten; Umgang mit der kapitalistischen Prägung; Fazit; Referenzen / Einzelnachweise
- Die goldene Regel, das nomische Gleichgewicht in Austauschbeziehungen und der Zins; Übertragung von Zwängen in Austauschbeziehungen; Quellen von ökonomischer Heteronomie; Wo liegt die eigentliche Quelle der Heteronomie?; Autonomie relevanter sozio-ökonomischer Rollen; Leihgeber vs. Leihnehmer, Eigentümer vs. Besitzer und Gläubiger vs. Schuldner; Selbstständig oder Angestellt?; Profitabilität: Einschränkung der funktionalen (Selbst)Bestimmung (Berufsausübung) auf mehrheitsfähige private Zwecke; Unternehmer vs. (Mit) Arbeiter und Arbeit„geber“ vs. Arbeit„nehmer”; Selbstbestimmung des Konsumenten; Welches Vermögen müsste der Mensch also haben, so dass die Zinsen auf sein Geldvermögen genau so groß sind wie seine Ausgaben?; Negativen Zinsen: Stärkung der Autonomie gegenüber dem Kapital; Referenzen / Einzelnachweise
- Der Übergang von der Mikro- zur Makroskala in der Beschreibung von Verflechtungen in der Realwirtschaft; Mikro und Makro-Wertschöpfungsketten; Soziologische Beschreibungen der Genese komplexer Wertschöpfungsketten; Referenzen / Einzelnachweise
- Banken und Geldsysteme; Referenzen / Einzelnachweise
- Arten des Kapitals; Arten von Eigentum und Besitz: Materielles Kapital und Geldkapital; Wertfunktion und Zins; Materielles Kapital; Materieller und immaterieller Wert; Abschreibungen und negativer Zins; Aktien und Unternehmensbeteiligungen; Primär- und Sekundärmarkt; Dividenden-Höhe; Geld und Geldmengenaggregate; Referenzen / Einzelnachweise
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