Preise, Inflation, nominale und reale Zinsen
Im Kapitalismus[+] gibt es ein zentrales Handlungsmuster das systemisch belohnt wird: Das Sparen. Sparen ist ein Konsumverzicht in der Gegenwart, um zu einem Zeitpunkt in der Zukunft mehr zu haben als in der Gegenwart. Der Gegenwert der für die Investition (das Sparen) zurückgelegten Waren hängt vom Preis der Ware ab. Aufgrund des Phänomens der Preisentwicklung, welches auch als (positive) Inflation[+] bzw. Deflation (negative Inflation[+]) bezeichnet wird, wird der nominale Zins[+] vom realen Zins[+] unterschieden.
Die Inflationsrate[+] (oder auch Inflationszins[+]) $z_i$ ist definiert als $$ z_i(t_1,t_2)\equiv\frac{1}{\Delta t}\cdot\log\left(\frac{p(t_2)}{p(t_1)}\right)\quad\text{mit}\quad\Delta t=t_2-t_1 $$ wobei $t_2\gt t_1$. Liegt $t_1$ in der Vergangenheit und $t_2$ in der Gegenwart und drückt man die Preise relativ zueinander aus, so findet sich: $$ p(t_2)=p(t_1)\cdot \exp(\Delta t\cdot z_i) $$ Der (Stück-)Preis ist das Tauschwertverhältnis von einer Gütereinheit und einer Währungseinheit: $$ p=\frac{W(G_i)}{W(G_0)}=\frac{N_0}{N_i}, $$ d.h. dass die mit einer Geldmenge[+] $N_0$ erwerbbare Gütermenge $N_i$ $$ N_i=\frac{N_0}{p} $$ beträgt. Wenn der Preis abhängig von der Zeit ist, hat man zu unterschiedlichen Zeitpunkten bezogen auf die gleiche Geldmenge[+] $N_0$ unterschiedliche Gütermengen: \begin{eqnarray} N_i(t_1) & = & \frac{N_0}{p(t_1)}\\ N_i(t_2) & = & \frac{N_0}{p(t_2)} \end{eqnarray} Wurde in der Vergangenheit eine Geldmenge[+] $N_0$ zurückgelegt und mit einem Zins[+] von $z_n(t_1,t_2)$ gespart, so beträgt die damit erwerbbare Gütermenge $$ N_i^*(t_2)=\frac{N_0\cdot\exp(\Delta t\cdot z_n)}{p(t_2)}, $$ vergleicht man diese Gütermenge mit der ursprünglichen zum Zeitpunkt $t_1$ verfügbaren Gütermenge so findet sich: \begin{eqnarray} \frac{N_i^*(t_2)}{N_i(t_1)} & = & \frac{N_0\cdot \exp(\Delta t\cdot z_n)}{p(t_2)}\cdot \frac{p(t_1)}{N_0}\\ & = & \frac{\exp(\Delta t\cdot z_n)}{\exp(\Delta t\cdot z_i)} \\ & = & \exp(\Delta t\cdot (z_n-z_i)) \end{eqnarray} Es liegt nun nahe neben dem nominalen Zins[+] $z_n$ einen realen Zins[+] $z_r$ zu definieren. Man erhält ihn durch das Logarithmieren der letzten Gleichung, die sog. Fisher-Gleichung[+]: $$ z_r\equiv z_n-z_i $$ Der reale Zins[+] des Ersparten berechnet sich also aus der Differenz zwischen nominalem Zins[+] und der Inflationsrate[+], kann bei Inflationsraten[+] oberhalb des nominalen Zinses[+] also negativ sein.
Inflation und Deflation durch Zins-Anteil in den Kapitalkosten bei positivem und negativem Zins
Der reale Zins[+] $z_r$ einer Anlage (gemessen als Kaufkraft) ist der nominale Zins[+] $z_n$ minus der Inflationsrate[+] $z_i$. Wenn die Preise mit einer höheren Rate steigen als die Nominalzinsen hoch sind, dann werden die realen Zinsen[+] also negativ, die Kaufkraft sinkt! Wenn man nun aber genau analysiert, wie sich Preise zusammensetzen, stellt man fest, dass Preise sich nur aus Gewinnen, Kapital- und Arbeitskosten[+] aller Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette zusammensetzen, also: $$ p=\sum\limits_k\tilde{n}_k\cdot\left(\tilde{\pi}_k+\sum\limits_i\tilde{l}_{i k}+\sum\limits_j(\tilde{z}_{j k}+\tilde{\delta}_{j k})\cdot K_{j k}\right), $$ wobei $\tilde{n}_k$ die Stückzahl eines Bestandteils des Produktes von einem der Unternehmen entlang der Wertschöpfungskette ist. $\tilde{\pi}_k$ ist der Gewinn, $\tilde{l}_{i k}$ die Arbeitszeit[+], $w_{i k}$ der Lohn, $\tilde{z}_{j k}$ die Zinsen[+], $\tilde{\delta}_{j k}$ die Abschreibungen je Bestandteil. $K_{j k}$ ist das Produktionsgut $j$ das zur Herstellung des Produktbestandteils $k$ verwendet wird.
Kapitalkosten bestehen aus Zinsen[+] und Abschreibungen.
Wenn die nominalen Zinsen[+] negativ werden ($z_n\lt 0$), kann es also bei entsprechenden Abschreibungen irgendwann passieren, dass die Kapitalkosten insgesamt negativ werden. Jedenfalls sinken die Preise bei negativem Zins[+]. Sie weisen eine negative Steigerungsrate ( = Deflation) auf, wenn ansonsten Quell- (Angebot) und Senkenstärke (Nachfrage) konstant bleiben.
Realzins von Bargeld
Bargeld wie z.B. auch Gold oder andere Edelmetalle haben in einer Negativzinswirtschaft positiven Realzins und ist somit zum „Sparen“, also zur risikolosen Aufbewahrung von Werten in einer Negativzinswirtschaft geeignet! Bargeld hat nominal einen Zins[+] von $z_n=0$ (%). Eingesetzt in die obige Formel ergibt sich für den Realzins von Bargeld $$ z_r(\text{Bargeld})=-z_i. $$
Der reale Zins[+] (die Veränderung der Kaufkraft) von Bargeld ist also gleich der Deflationsrate, bzw. gleich der negativen Inflationsrate[+]. Die Kaufkraft von Bargeld steigt also in einer Negativzinswirtschaft mit der Zeit. Wie kann man davon profitieren? Seit Beginn der Negativzinswirtschaft bekommen sogenannte Bargeld-Fonds eine immer höhere Attraktivität[1][2][3]. Findige Ökonomen haben damit begonnen tonnenweise Bargeld zu mieten und vermieten, seit die Nominalzinsen der Geschäftbanken auf den Konten der EZB[+] im negativen Bereich liegen.
Wenn man (umgekehrt) also verhindern will, dass Werte risikoarm ins Bargeld „gerettet” werden, dann muss das Bargeld verboten werden oder zumindest darauf eine Bargeldsteuer erhoben werden.
Referenzen / Einzelnachweise
- [1] http://www.focus.de/finanzen/boerse/aktien/fonds-bargeld-lacht-an-der-boerse_id_3737990.html
- [2] http://www.faz.net/aktuell/finanzen/fonds-mehr/fondsbericht/erfolgreichster-mischfonds-setzt-auf-bargeld-13782271.html
- [3] http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/09/14/warten-auf-den-crash-moment-investoren-horten-massiv-bargeld/
Querverweise auf 'Preise, Inflation, nominale und reale Zinsen'
- Friedrich Merz, Christian Lindner, Henrike Roßbach und Katrin Göring-Eckardt bei Maybrit Illner; Kommentierung des Hauptteils der Sendung; Armes kleines, deutsches Sparerschwein; Lindner, der Schlingel; Merz, der Kantige, Rücksichtslose; Die repräsentative Spannung im EZB-Rat zwischen Gläubiger- und Schuldnerstaaten; Der Reformvorschlag zur Demokratisierung der Geldpolitik; Roßbach, die Ahnungslose?; Die Selige: Göring-Eckardt; Lindners Sabotage der Gewaltenteilung; Schluss mit dem Ritt auf der Rasierklinge; Fazit
- Kommentierung der Weihnachtsvorlesung von Hans-Werner Sinn; Anschub- und Selbstverstärkungseffekte der Inflation; Die Flucht in das Betongold; Die Finanzierung der Staaten und der EU mit billigen EZB-Krediten; Lockdowns und Quarantäne; Die ökonomischen Gefahren der Inflation; Inflationswellen; Fazit; Referenzen / Einzelnachweise
- Positionen zu Inflation und Zinspolitik und ein Kommentar zur Verstaatlichung von Teilen der Vonovia; Kritik der Prognosen von Gunther Schnabl und Tim Florian Sepp; Fazit und eigene Prognose; Bestätigung der These über den Zusammenhang zwischen Zins- und Inflationsvorzeichen durch MMT Theoretiker Warren Mosler; Vergleich der Antriebswirkungen von Negativzinsen und Inflation; Fisher-Gleichung; Abhängigkeit von Zinsniveau und Inflationsrate; Fazit; Günstig privatisiert, teuer verstaatlicht: Teile der Wohnungen von Vonovia verstaatlicht
- Zusammenfassung einiger makroökonomischer Folgen einer Negativzins-Ökonomie; Entropiezunahme und Negativzins; Altersvorsorge unter einer Negativzins-Ökonomie; Inflation des Gelduniversums, Kontrahierungszwänge und das Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate; Welche Rolle spielen dabei Abschreibungen an realem (Sach-) Kapital? Vermögensbegrenzung; Das Vorzeichen der Inflationsrate und das Zinsvorzeichen
- Auseinandersetzung mit Kritik und Hinterfragungen; Ursprungstext; Zum Realismus der Monopoly-Simulation; Das geltende Tote und der Zins-Mechanismus: einfache Ursache, hochkomplexe Wirkung; Warum denken nicht mehr Wissenschaftler und andere Denkfähige über den Zins-Mechanismus nach?; Grausamkeit der Zivilisation gegenüber der Grausamkeit in Ökosystemen; Fortsetzung; Präzisierung des Begriffs des 'geltenden Toten' und Motiv seiner Verwendung; Die klaffende, zentrale Bildungslücke rund um Geld, Zins und Kapitalismus und Anzeichen einer Verschwörung
- Ein paar Anmerkungen zum Gold; Was die Pharisäer zum Untergang sagen
- Anregung in der SPD zur Diskussion über die Negativzins-Ökonomie; Was wären denn aus Deiner Sicht die Vorteile einer Umverteilung über Negativzinsen?; Würde das ab dem ersten Euro auf der Bank gelten? Dann wären ja auch sehr kleine Vermögen betroffen.; Wie könnte der befürchteten Flucht ins Bargeld begegnet werden? Mit dessen Abschaffung?; Würden nicht die Besitzer mittlerer und hoher Vermögen das umgehen können, indem sie in Sachwerte investieren z.B. Immobilien und Aktien?
- Rezept gegen Diskursneurosen: "Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß" - mal anders; Warum man eine Deflation infolge negativer Geldzinsen nicht fürchten muss; Der projizierte Teufelskreis lat. »circulus vitiosus«; Die Negativzins-Ökonomie ist eine Ökonomie des Verderbens des geltenden Toten und des Beginns neuen Lebens
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