⌂ William N. Goetzmann über die Bankgeschäfte des Templerordens
Man kennt sie, die berühmten Ritter des Templerorden. Es gab sie nur für verhältnismäßig kurze Zeit[+], von 1118 bis 1312, doch haben sie damals Funktionen in der europäischen Finanzwirtschaft übernommen, geprägt und etabliert, die es auch heute noch gibt, z.B. die Finanzdienstleistungen von Western Union und andere Dienstleistungen, die wir heute mit dem Bankwesen[+] verbinden. Sich zunächst dem Schutz von christlichen Pilgern widmend, übernahmen die Templer zunehmend Finanztransaktionen und andere Bankgeschäfte[+], wobei sie nach ihrem Gelübde nur geringste Zinsmargen[+] annehmen durften. Eine Bibel-Volltextsuche nach dem Wort 'Bauleute' ergibt die Vermutung, dass die Templer in der Tradition der Bauleute stehen.
Weil es für einen wesentlichen Teil dieser Veröffentlichung, speziell das Bankwesen[+], die übrigen Finanzintermediäre im Allgemeinen inclusive ihrer Geschichte, von zentraler Bedeutung ist, um die historische Entwicklung nachvollziehen zu können, zitiere ich hier aus dem Buch von William N. Goetzmann[+] 'Money Changes Everything[+]' die wichtigsten Passagen.

An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass heute zu den Finanzintermediären nicht nur die Banken[+] gehören, sondern auch Vermögensverwalter, z.B. Immobilienverwalter oder Hausverwaltungen. Finanzintermediäre stehen in vertraglichen Beziehungen zwischen Eigentümern[+] und Besitzern[+], Gläubigern und Schuldnern, Leihgebern und Leihnehmern im Allgemeinen. Sie verwalten jedoch nicht nur die Verträge im Verleih, der Vermietung, Verpachtung, usw, sondern wickeln auch den Zahlungsverkehr ab. So wie es Goetzmann[+] beschreibt, waren die Templer an der Erschaffung der europäischen Finanzintermediäre beteiligt, indem sie diese Geschäftsmodelle als erste prägten.
In Goetzmanns[+] Buch über die Geschichte der Finanz erscheinen an zahlreichen Stellen Bezüge zur Religion, so z.B. seine Vermutung, der ursprüngliche Sündenfall[+] sei die Erfindung der Zinsen[+] gewesen oder an späterer Stelle, dass das lateinische Wort für 'Geldwechsler[+]' fast synonym zum Wort für 'Banker[+]' verwendet wurde, Eintrag vom 22.04.2022. Goetzmann[+] zieht jedoch nicht über seine Vermutung und Feststellung hinausgehende Schlüsse. So lässt er auch völlig unkommentiert, wie scharf eigentlich der Gegensatz, wie groß die Doppelzüngigkeit und Heuchelei des Templerordens gewesen ist, wenn die Templer anfänglich christliche Pilger beschützten und doch dann später genau das Geschäft verrichteten, dessen Betreiber Jesus[+] aus dem „Tempel seines Vaters” verjagt hatte. Warum hinterfragt er nicht, warum die Templer das asketische Leben von Mönchen führten, dass sich die Templer selbst Armuts- und Keuschheitsgeboten und einer „Kadavertreue“ unterwarfen, die man heute nur von Sekten und eben den Freimaurern kennt?
Es gibt Gerüchte, dass sich die Templer in die Schweiz zurückgezogen haben, dort ihre Festungen errichteten und von dort aus die Einigung und Verteidigung Europas gegen den Ansturm der Muslime organisierten. So sind die Templer vermutlich auch für die Christianisierung[+] des nordeuropäischen Raums mitverantwortlich, die sich parallel zur Entstehung der Hanse ereignete, deren Gründung in die aktive Zeit[+] der Templer fiel. Ich halte es für wahrscheinlich, dass der Orden nach seinem Ende 1312 nie ganz verschwand, sondern in den späteren Institutionen des Finanzsystems Europas sowie in Sekten wie den Freimaurern aufgegangen ist. Denkbar ist für mich zudem, dass der Kapitalismus[+] zwei Jahrhunderte nach dem Fall des Ordens, in der Renaissance, wieder vollkommen vom Joch der Moral, speziell dem Zinsverbot[+], befreit wurde, um Europa gegen die äußere Bedrohung des Islam zu einen.
[...]
Die Templer dienten dem Papst und den Monarchen von England, Frankreich und den iberischen Königreichen mit gleicher Treue, auch in Zeiten[+], in denen diese Herrscher gegeneinander Krieg führten.
[...]
Die bedeutendste Finanzdienstleistung der Templer – nach ihrem Fernüberweisungsgeschäft – war eine Konstellation von Vermittlungstätigkeiten, die wir heute als Bankwesen[+] interpretieren. Templerklöster in London und Paris dienten als königliche Schatzkammern, in denen Könige und Adlige ihre Wertgegenstände deponierten. Früher wurden die Kronjuwelen Englands eher im Tempel als im Tower of London aufbewahrt.
[...]
Die Templer übten auch unzählige andere Finanzintermediärfunktionen aus. Sie erhoben und überwachten die Zahlung von Steuern für die englische Krone bis ins 13. Jahrhundert und führte Konten über königliche Schulden und Abgaben in England und Frankreich. Während England eine eigene Schatzkammer hatte, die die Staatsfinanzen verwaltete und die Dienste der Templer ausgiebig in Anspruch nahm, Frankreich berief sich de facto auf den Auftrag als königliches Finanz- und Rechnungsamt.
[...]
Die Templer fungierten auch als Zahlungsvermittler unter den gekrönten Häuptern Europas [...] Entschädigungen und königliche Schulden, die von einem König zum anderen fällig waren, konnten durch die Templer abgewickelt werden.
Ich stelle mir vor, dass nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches in Europa der Kampf um die Macht über Teile des Kontinents entbrannte und sich nicht nur zwischen den ortsansässigen Herrschaftshäusern ereignete, sondern ab 650 auch arabische und nordafrikanische Herrschaftsaspiranten, wie die Mauren, anzog. Gerade der Ansturm der Mauren fällt in die aktive Zeit[+] der Templer, so dass die Rolle des Ordens als europäische Schutzmacht vielleicht nicht allein in der physischen[+] Verteidigung Europas mit Hauptquartier in den Schweizer Alpen bestand, sondern auch in der Errichtung einer Europa überspannenden Finanzarchitektur, denn der Kapitalismus[+], das Zinsnehmen[+], bewirkt über die Erzeugung von Zinsschulden[+] beim Verkauf von Verfügungsrechten[+] an Kapitalien (damals vorrangig Geld, Immobilien und Leibeigene) Kontrahierungszwänge[+], zwingt Menschen dazu, sich einem Machtzentrum anzuschließen und zu unterwerfen, das zugleich Zentrum der kapitalistischen Akkumulation[+] ist.
[...]
Die Templer schufen und warteten eine Reihe von Produkten, die wir als "Finanzprodukte" bezeichnen würden. Warum die meisten Aufzeichnungen des Templer-Bankwesens[+] mit der Aristokratie zu tun haben, Finanzdienstleistungen erstreckten sich auch auf Kaufleute und Gewerbetreibende. Einige Berichte deuten darauf hin, dass sogar einfache Köche Zahlungen über den Tempel erhielten.
Der Kapitalismus[+] einte Europa, indem er die europäischen Menschen dazu zwang, ihre Hingabe nach innen zu richten und von außen zu nehmen. Mit ihrer grundlegenden Arbeit[+], wie sie eben Bauleute tun, bewirkten die Templer die Entstehung eines in den Grundregeln des Kapitalismus[+] einheitlichen Europas, das sich gegen äußere Feinde wehren konnte.
Wer Max Webers[+] 'Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus[+]' gelesen hat, kennt die Beziehungen zwischen den asketischen Praktiken der christlichen Sekten und andere Religionen. Praktisch alle Weltreligionen propagieren asketische Praktiken. Warum? Weil Menschen, die in einer wirtschaftlichen Umwelt leben, die vom Zinsnehmen[+] und also von der Knappheit des Geldes geprägt ist, nur dadurch materiell aufsteigen, dass sie ihr gegenwärtiges begehrendes Handeln unterdrücken und seine Befriedigung auf die Zukunft verschieben.
Sie glaubten: Nur die Sparer kommen in das Himmelreich[+].
So diente das vorbildliche Verhalten der Templer als ethische Richtschnur, das – begünstigt durch das Zinsnehmen[+] – quasi die Saat kapitalistischer Grundwerte für die Erschaffung eines neuen Menschen bildete. Der Plan der Templer war, so meine Behauptung, die Errichtung eines großeuropäischen Reiches.
Die obigen Zeilen lassen nun vermuten, dass es die katholische Kirche war, die mithilfe des Ordens den Plan der Errichtung eines großeuropäischen Reiches verfolgte.
Eines der großartigen Eigenschaften von Goetzmannis[+] Werk ist die Klarheit, mit der er die Geschichte interpretiert und die finanziellen Handlungen der Vergangenheit im Lichte von Begriffen der heutigen finanziellen Institutionen ausdrückt. Es ist wahrscheinlich, dass die Templer ihre Tätigkeit nicht als Bankgeschäft[+] bezeichneten, doch klar ist, dass ihre Tätigkeiten heute als 'Bankgeschäfte[+]' bezeichnet werden müssen.
Es folgen nun einige in der moralischen Bewertung der Tätigkeit der Templer im Hinblick auf das christliche absolute Zinsverbot[+] (vgl. Lukas 6:[30-35]) etwas höher reflektierte Aussagen Goetzmanns[+], die jedoch leider verdeckten, dass es sich auch bei der Erhebung von Miet- und Pachtsteuern, das Zehnt gezahlt als Naturalabgabe, um (Natural-) Zinsen[+] handelte. Der Zins[+] ist nämlich die Urform[+] der Steuer: Menschen, die auf dem Land des Herrschers saßen und lebten, mussten für Besitz[+] und Nutzung Zinsen[+] in Form eines Teils ihrer Erzeignisse an den Herrscher zahlen, der so auf der Grundlage seines Eigentums[+] an den Immonbilien ein leistungsloses Einkommen hatte.
Offenbar tolerierte die katholische Kirche also das Zinsnehmen[+] der Herrscher, jedoch nicht, dass Christen Zinsen[+] nehmen. So findet hier das berühmte Gerücht einer heimlichen Absprache zwischen einem weltlichen (materiellen) und einem geistlichen (spirituellen) Herrscher Nahrung: „Halt' Du sie arm, ich halt' sie blöd“.
Ein Hauptproblem bestand darin, dass diese Verträge in die Macht des Souveräns oder des Lords eingriffen, der sie erteilte, und dies war riskant. Die Folge dieser Finanzierung durch zahlungsbedürftige Grafen, Herzöge, Städte und Republiken war nicht nur die Schwächung der Hoheitsgewalt, sondern auch drohende Zahlungsunfähigkeit oder Enteignung. Im Laufe von ungefähr einem Jahrhundert sammelte die Templer-Organisation Tausende von Immobilien und ein komplexes Netzwerk von Verträgen, die sie zu einer bedeutenden Wirtschaftskraft in Europa machten und auch ein Gelegenheitsziel für Monarchen boten, die nach Geld suchen.
[...]
Religiöse Institutionen wie die Templer und Johanniter wurden wichtige Nutznießer von Lehen und entwickelten ein Rechtssystem[+] in Europa, um Streitigkeiten über Lehen und andere übertragbare Rechte[+] zu entscheiden. Obwohl es auf dem Prinzip der Landzuweisung und Landerträge basierte, wurde das Lehensrecht schließlich zu einem Rahmen für ein System rein monetärer Verpflichtungen und war die konzeptionelle Grundlage für Europas einzigartige Finanzarchitektur.
⌂ Schlussfolgerungen
An den Zitaten erkennt man, dass nach den Ausführungen des Finanzhistorikers Goetzmann[+] der Handel mit Verfügungsrechten[+] an Sachen samt seiner Verwaltung vom Templerorden mit entwickelt, verbreitet und etabliert wurde. Offenbar hat das sich über die Jahrhunderte wie eine Schlange häutende Feudalsystem[+] in Form des modernen Kapitalismus[+] überlebt, denn auch heute noch leben vermögende Menschen allein auf der Grundlage ihres Eigentums[+] und beziehen Sparzinsen, Mietzinsen[+], Pachtzinsen[+], Lizenz-, Leih- und Nutzungsgebühren aller Art, während es auf der anderen Seite eigentumslose auf der Scholle Sitzende gibt, nämlich Kreditnehmer, Mieter, Pächter, Lizenz-, Nutz- und Leihnehmer i.A., die wie damals das Zehnt verrichten, nur eben nicht mehr in Naturalien.
Nicht zitiert habe ich hier Passagen des Buches, die sich mit dem sagenumwobenen Schatz des Templerordens beschäftigen. Das hat zum einen den Grund, den Erwerb des Buches attraktiv zu machen, doch zum anderen auch, dass ich hier anderer Auffassung bin als Goetzmann[+]. Ich denke, dass der Schatz des Templerordens im Himmelreich[+] besteht, das eine umso größere materielle Grundlage hat, je länger das Zinsnehmen[+] systematisch betrieben wurde. Doch darüber soll sich der Leser ein eigenes Bild machen.

⌂ Querverweise auf 'William N. Goetzmann über die Bankgeschäfte des Templerordens'
Sie kennen vielleicht von anderen Medien sogenannte "Bezahlwände". Sie erhalten die von Ihnen begehrten Informationen nur, wenn Sie den Artikel kaufen oder regelmäßig zahlen. Soweit kann ich es aus berufsethischen Gründen nicht kommen lassen, bitte Sie jedoch trotzdem darum, meine Arbeit mit einer Spende oder einer Schenkung zu unterstützen.
Tim Deutschmann
USt-IdNr.: DE342866832
IBAN: DE49 4306 0967 6023 3551 01
BIC: GENODEM1GLS
Verwendungszweck 'Spende'.
Liste mit SpenderInnen, weitere Informationen zu meiner Finanzierung hier.
Kontakt- und Adressdaten:
E-mail: autor@tim-deutschmann.de
Keltenweg 22
69221 Dossenheim
Impressum